Kapitel 31: Und wieder die Fröhlichkeit


Bin ich ein fröhlicher Mensch? Ich weiß es nicht. Ich bin allerdings ein Mensch, dem die Fröhlichkeit am Herzen liegt. Ich weiß nicht, ob das immer so war, oder ob ich mir die Fröhlichkeit zu Herzen genommen habe, nein, das weiß ich nicht.
Hm, ich erinnere mich, dass ich, wenn es um Musik ging, immer auf der, ich nenne es mal schwermütigen Seite war. Fröhliche Musik war mir unheimlich. War sie nicht oberflächlich, etwas für sorglose Menschen, die die Probleme der Welt verleugnen wollten?
Ja, werch ein Illtum, kann ich an dieser Stelle mit Ernst Jandl sagen, jetzt, wo ich älter geworden bin und um den widerständigen Wert der Fröhlichkeit weiß.
Wir, also Fritz und ich sind ja auch nicht umsonst ein "Fröhliches Wohnzimmer" und kein "Trauriges Wohnzimmer" geworden.
Lets Dance, also, lets dance!
Wir brauchen ein Fröhliches Wohnzimmer, ja, und wir brauchen Fröhlichkeit in Gedanken, Worten und Werken! Und ja, es braucht vielleicht Mut, Schwermut, Leichtmut, Langmut und Übermut. Edelmut auch? Hm, ja vielleicht auch Edelmut! Und der Missmut? Ja, auch der Missmut und der Unmut können den Weg zur Fröhlichkeit ebnen.

Ein fröhliches Gedicht, das ich heute vorstellen will, ist das Gedicht "Gutes Wetter" von Patricia Brooks. Es ist enthalten im Bunten Lyrikheft Nr. 9.

Gutes Wetter

Flüsterstimme
und so nah der Wind
neugierig zwischen den Ritzen
des Fensterrahmens
sprich mit mir
mit fremdem Atem
laute Worte
leise Worte
ist es nicht immer so?
das Andere
das Gleiche
überall und
immer wieder
Wetter
so ein Glück

Ich lächelte als ich das Gedicht las. Ja, ich lächelte, schmunzelte und mir wurde warm ums Herz, während draußen der Wind ums Haus pfiff, ganz nah. Ist es nicht immer so? Ist es wirklich immer so? Ja, der Wind, der flüstert, und das gute Wetter sind ein Glück. Ich weiß nicht, wieso mir zu diesem Gedicht die Nummer "Cum On Feel The Noize" von Slade einfällt. Ich widerstehe der Versuchung, den Text im Internet zu suchen, ich höre mir einfach die Musik noch einmal an und: "We'll get wild, wild, wild".
Wer könnte dieser trotzigen wilden Fröhlichkeit widerstehen? Ich nicht. Auch der Wind, übrigens, flüstert jetzt nicht mehr, sondern ist heftig und wild geworden.

Wie ist das aber jetzt mit dem Glück?
Die letzte Zeile des Gedichtes sagt ja eigentlich nichts vom Glück an sich, nein: sie versteckt ihr Gegenteil. Denn, wenn wir sagen: "So ein Glück!", kann das auch meinen, dass wir Glück gehabt haben, dass wir noch einmal davon gekommen sind: Ja, es gibt das Wetter. Ein Glück, dass es das Wetter gibt. Was wäre, wenn es das Wetter nicht gäbe? Wir wären nicht wir, wenn es das Wetter nicht gäbe! So ist das mit der Sprache, es steht da, was da steht, und es steht nicht da, was nicht da steht. Oder etwa doch?

Dem Gedicht von Patricia Brooks antworte mit einem kleinen, eigenen Gedicht, das ich dem Lächeln und dem Bier widme:

land des lächelns

meine heiterkeit
besteht aus angst
fünfzig prozent
so glaube ich
vielleicht
manchmal
sechzig prozent
ich übe mich
ein und trinke
mein bier
aus.