Long Cleve Reed & Little Harvey Hull:
"Original Stack O'Lee Blues" (1925)


"Original Stack O' Lee Blues" nannten Long Cleve Reed & Little Harvey Hull ihre Aufnahme, doch Stack O' Lee oder Stagger Lee wurde schon drei Jahre zuvor auf einer Platte der Fred Waring’s Pennsylvanians besungen. Der Original Stagger Lee war der Afroamerikanische Zuhälter Lee Shelton, der am Weihnachtsabend 1895 seinen Widersacher William 'Billy' Lyons im Bill Curtis Saloon in St. Louis erschoß. Bumm. Ohje. Diese Tat wurde Teil der Popgeschichte. Die berühmteste Version wurde von Lloyd Price 1958 aufgenommen und war 1959 Nummer eins in den Billboard Hot 100. In den 60er Jahren hatten Ike & Tina Turner, James Brown und Wilson Pickett mit dem Song Erfolg. Auch der Song "Wrong 'Em Boyo" von The Clash oder genauer gesagt von der Rocksteady Group The Rulers aus Jamaika erzählt diese Geschichte. Eine weitere schöne Version wurde von Nick Cave & The Bad Seeds 1996 für ihr Album "Murder Ballads" aufgenommen. Die letzte mir bekannte Version stammt von der US-Amerikanischen Punkband Modern Life Is War und befindet sich auf ihrem 2007 beim Label Equal Vision erschienenen Album "Midnight In America".
Long Cleve Reed und Little Harvey Hull kamen irgendwo aus Mississippi und zogen als Songsters durch die Lande. Als Dritter im Bunde war oft der Gitarrist Sunny Wilson mit auf Achse. Long Cleve Reed war auch als Big Boy Cleveland im Studio und Little Harvey Hull nannte sich in späteren Jahren Papa Harvey Hull. Für manche Aufnahmen nannten sie sich auch The Down Home Boys, zum Beispiel für ihre 1924 erschienene Schellack "Alabama Bound". Der "Original Stack O' Lee Blues" von Long Cleve Reed & Little Harvey Hull findet sich auf der 2004 bei Saga Blues Records erschienenen CD "The Songsters Tradition - Before The Blues". Als ich eines Nachts auf dem Bahnhof von Tutwiler, Mississippi vor mich hindöste und auf einen Zug mit neun Stunden Verspätung wartete, klopfte mir plötzlich das Leben auf die Schulter und machte mich mit einem Schlag hellwach. Während er spielte, preßte er ein Messer auf die Saiten seiner Gitarre - eine Technik, die von den Gitarristen aus Hawaii eingeführt worden war, die dazu ein massives Stück Metallrohr, den steel-bar, benutzten. Die Wirkung war unvergesslich. Aber auch das, was er sang, packte mich sofort. Goin' where the Southern cross the Dog. Der Sänger wiederholte diese Zeile dreimal und begleitete sich dabei auf der Gitarre mit der irrsten Musik, die ich jemals gehört hatte. Diese Geschichte passierte 1903 und wird von William Christopher Handy erzählt, der einige Jahre später 1912 als W.C. Handy mit seinem
"St. Louis Blues" Popgeschichte schrieb. Oho! Einer der schlimmsten Übeltäter war der aus der schwarzen Mittelschicht stammende W.C. Handy, der nur deshalb als Vater des Blues gilt, weil er einer der ersten war, der die Musik in Noten niederschrieb, schreibt dazu der farbige Autor Nelson George in seiner Geschichte der schwarzen Musik. Okay, da hat er wohl recht, aber auch Nelson George gesteht W.C. Handy eine durchaus wichtige Rolle in der Geschichte der schwarzen Musik zu: Handy war zwar mitnichten der Vater des Blues, aber er hatte eher als seine Zeitgenossen verstanden, welchen ökonomischen Wert der Blues darstellte. Er gab einige traditionelle Bluesmelodien, die er neu arrangiert hatte, als seine eigenen Kompositionen aus, aber er finanzierte 1921 auch eines der ersten rein schwarzen Musiklabels, Black Swan. W.C. Handy warb für sein Label mit Sprüchen wie: Die einzigen Schallplatten, die nur von Farbigen gemacht werden. Oder: Die einzigen Schallplatten, auf denen ausschließlich Negerstimmen zu hören sind. Ja, W.C. Handy mag ein Schlitzohr gewesen sein, aber er hat auch in die schwarze Community investiert, also sollten wir ihn mitnichten in Vergessenheit geraten lassen.