Fritzchens Alterswerk

Seite 8

(...)
mein cystofix ist weg.
es kann sein, dass in den nächsten tagen noch etwas urin durch das loch im bauch rauskommt, sagte die arzthelferin, aber das ist durchaus normal.
normal ist des öfteren sehr unangenehm.
1995 habe ich bei der edition aha das buch "ich bin ganz normal" veröffentlicht. 70 gedichte.
closeso mitten
closeund ich
closedas wetter
closeso so
closeund böen
closehorizont
closeso wolkenbänke
closeso überall so
close51
im buch befinden sich auch 8 fotos von ilse, die mich beim striptease zeigen.
diese fotoserie sollte eigentlich bereits meinen gedichtband "landfluch" schmücken, doch meinem damaligen verleger werner herbst waren die fotos von ilse zu scharf.
"landfluch" ist 1990 in der herbstpresse erschienen.
"landfluch" schmücken nun 9 holzschnitte des künstlers manabe anton, die ebenfalls sehr scharf sind, aber mehr abstrakt.
lass doch die erde.lass doch die erde.
lass doch die erde.
lass doch die erde.um deine achse.
2005 erschien beim verlag fußnoten zur weltgeschichte das buch "ich bin ganz normal - zwölf kilo danach". 70 gedichte.
closedem schlicht
closeund einfach
closedie sexuelle un
closeordnung ordnung
closevon wortspielen
closevon
closeden sinnen
closezeiten zu erlauben
close51
ich wollte wissen, wie sich die gewichtszunahme auf meine dichtkunst auswirkt.
cremeschnitten sind eine gute methode gewicht zuzulegen.
cremeschnitten.
ich liebe cremeschnitten.
jeden tag mindestens eine cremeschnitte.
verteidige dich nie. ermüde.
das ist ein zitat von walter serner.
ich bin nicht unbedingt seiner meinung.
ich liebe das buch "letzte lockerung" von walter serner.
ich liebe cremeschnitten.
doch die cremeschnitten erhöhten nicht nur mein gewicht, sondern leider auch meine triglycerid-werte.
also hörte ich wieder damit auf cremeschnitten zu essen.
mein neues gewicht behielt ich bei, da mir das neue buch sehr gut gefiel.
ich fühlte mich um 12 kilo schöner.
fritzschöner.
cremeschnittenschöner.
ich muss nun keine cremeschnitte mehr essen, ich bin eine
lass doch die erde.cremeschnitte.
lass doch die erde.
lass doch die erde.ich liebe cremeschnitten.
werner herbst ist inzwischen verstorben. schade. ich mochte ihn. er hat in seiner herbstpresse drei bücher von mir verlegt.
close"gaisberggefühl" 1988
close"landfluch" 1990
close"zum beispiel - feldforschungen" 2002
ich denke, ich hätte werner herbst auch gemocht, wenn er es nicht getan hätte.
closeverlegt bei werner herbst

close(...)
closedie themen
closecremeschnitte
closeund triglyceride
closetriglyceride und
closecremeschnitte
closehatten wir bereits
closein diesem alterswerk
closegenannten schreiben.
cremeschnitte ist ein thema.
triglyceride ist ein thema.
alterswerk ist ebenfalls ein thema.
ich denke, alter ist jedenfalls ein thema, egal ob werk oder nicht werk, nein, werk muss nicht unbedingt sein, ist aber des öfteren sehr hilfreich.
closeschwein gehabt.
ich denke, alte menschen müssen nicht mehr, können aber durchaus.
closedurchaus
closenicht alles.
wasserlassen kann ich nicht mehr so gut, muss ich aber.
wasserlassen ist aber keineswegs alles.
wasserlassen ist aber keineswegs nichts.

(…)
manchmal bezeichne ich mich als anarchodadaglampunk.
manchmal schlicht und einfach als sozialist.
die beste sache, die einfache arbeiter oder arbeiterinnen machen könnten, wäre ihre industrie selbst zu organisieren und alle zusammen das geld loszuwerden.
lasst sie sich gruppe für gruppe verbünden, lasst jeden nutzen, was er von seinen produkten braucht, den rest in warenhäuser bringen und die anderen die waren nehmen, wenn sich die gelegenheit ergibt.

das schrieb voltairine de cleyre 1897 in ihrem aufsatz "why i am an anarchist".
vielleicht sollten wir einfachen dichter*innen mit dieser besten sache beginnen.

(...)
ich bin laut
du bist laut
wir sind laut
sauerkraut
der dichter fritz widhalm kann nicht gut reimen.
nein, gut reimen kann der dichter fritz widhalm, der ich bin, wirklich nicht.
die dichterin ilse kilic kann viel besser reimen als ich, aber das macht nichts, nein, das macht mir nichts aus.
es gibt viele menschen, die vieles viel besser können als ich.
das ist aber kein grund, es nicht immer wieder zu versuchen.

closedas leben gibt mir zu denken die aufgabe auf
closeich verwechsle oft das fallen dem und den
closedoch blieb ja bleibe ich stets vom stolpern fan
closedenn wer wiegt selbst in sicherheit beendet den lauf

closeich bin kein meisterlich begabt in guten reimen
closewälz gedanken gerne lang und sage kurz
closedie frage ist huhn die antwort meist nur furz
closeder lange schallt in seinen besserwissend träumen

closeich suche gerne ja und lass auch gern mich finden
closebei gewittern such ich das weichen unter eichen
closeim leben ja da such ich stets mich zu erreichen

closemich ist nicht einzeller sondern viel und noch eins drauf
closedas weilen ist nicht anfang nicht ende sondern lauf
closeder weder will von sieg noch niederlage künden

dieses gereimte gedichte habe ich 2016 für die anthologie "eine andere welt ist möglich / absonderlich und süß / ungleiche gedichte" geschrieben. ich finde es durchaus gelungen, obwohl ilse das versmaß etwas holprig fand.
naja, das leben ist eben etwas holprig, meines zumindest.
1. höckerig, uneben und dadurch schlecht zu begehen
2. stockend, nicht fließend, nicht im gleichmäßigen rhythmus
naja, das leben.

naja, das leben. eine kurze geschichte meiner ohren.
mit 60 jahren wurde mein hören immer leiser und mein tinnitus immer lauter. rrr-fiiiiiiii fiep. nein, der tinnitus war nie wirklich ein problem, ich liebe die kunst der geräusche. doch die menschliche stimme verschwand immer mehr und mehr in einer welt voller rauschen und dröhnen. fiep. fiep fiep. rrr-fiiiiiiii rrr-fiiiiiiii rrr-fiiiiiiii fiep. huch! mir gingen meine geliebten sänger*innen verloren. fiep. fiep fiep fiep. fiep. doktor quint verordnete mir ein hörgerät, nein, zwei hörgeräte. ich war nicht wirklich begeistert. hinter-dem-ohr-hörgeräte. kein wunder, sagten die freund*innen, du hast lange zeit gitarre und schlagzeug gespielt. punk, sagten die freund*innen. tatütata. quatsch, sagte ich, morbus menière, nach mehreren anfällen von extremem schwindel kam mein hören nicht mehr zu mir zurück, naja, irgendwie schon, aber nur mehr zirka 25% davon. tatütata. mit 61 jahren bekam ich zwei hightechhörgeräte, alles wurde plötzlich wieder laut und schrill. hallo fritz. hallo. meine eigene stimme klang irgendwie nervig, ja, mich machte meine eigene stimme nervös. hallo. leider nicht nur meine stimme. huch! wau wau wau, tak tak tak, tapp tapp tapp. mit 62 jahren habe ich mich endlich an meine hörgeräte und meine neue stimme (und nicht nur meine) gewöhnt. ich singe sogar wieder. wow! ich habe auch begonnen mit dem sound meiner hörgeräte zu experimentieren, yeah, ich kann der welt manch tolle rückkoppelungen verpassen. hallo fritz, wie gehts? wie gehts? wie gehts? wie gehts? wow! widerstand gegen schwarzblau, rassismus und sozialabbau. die donnerstagsdemos gegen die fpövp kann ich zur symphonischen kakophonie anschwellen oder mich in aller ruhe in der menge treiben lassen. ja, ich liebe die kunst der geräusche und meine hörgeräte inzwischen auch ein wenig. traak-traak pic-pac pum, pluff-plaff flic-flac tumb, zing-ting croooc-craaac iiiiiiii. gutes leben für alle, wir trotzen der sozialen kälte. omas gegen rechts. ende.

naja, das leben.
es schreibt eigentlich keine geschichten, keine kurzen und auch keine langen. gereimte gedichte auch nicht. aber ich darf schreiben.
was ich will
was du willst
was wir wollen
schaumrollen
die kurze geschichte meiner ohren ist eigentlich so eine art comic, funktioniert aber auch ohne bilder, eines davon füge ich meinem alterswerk als beispiel bei.
close
der ganze comic wird im herbst 2019 in der zeitschrift phobi erscheinen.

(...)
neulich sagte eine mir gut bekannte künstlerin nach einer literaturveranstaltung mit anschließender diskussion zu mir: der künstler hat immer recht und auch wenn er nicht recht hat, hat er recht.
ja, die künstlerin sagte der künstler, aber ich denke, sie hat sich beim rechthaben durchaus mitgemeint.
ich reagierte skeptisch, äußerst skeptisch.
danach sagte sie etwas aufgebracht, dass alle an der literaturveranstaltung teilgenommen habenden trotteln seien. da hat sie wahrscheinlich weniger sich mitgedacht, sondern vielmehr mich. mag sein, soll sein.
ein gedicht, 30.04.2019:
closealle reden vom wetter
closevertreten ihren eigenen standpunkt
closeohne korrektur
closeum himmels willen
closedas reden schlägt wellen
closeund der regen blasen
closemir fällt kein wort ein
closedas wetter ist machbar
closewie frösche auch
closedas ist es
closedie lieben frösche nehmen platz
closeund das wetter ist im fluss
closeich möchte moos sein
closeund immer hilfsbereit
closeder regen blubbert ohne widerrede
closeein frosch kommt selten allein
closeund ich quake mir eins
closejuchheisasa
closejuchheisasa
ich stehe in der tür unseres schweineladens und warte auf besuch. es regnet in strömen. irgendwie habe ich lust auf eine zigarette, doch ich habe keine zigarette.
closejuchheisasa
closejuchheisasa
ich singe gerne im regen. i'm singing in the rain / yes, singing in the rain / what a glorious feeling / i'm happy again.
closejuchheisasa

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