Freunde der italienischen Oper: "Sentimental Sea" (1991)


Hmm, die Musik ist irgendwie Dark Wave oder New Wave, ein bisserl Siouxsie & The Banshees, aber aus der DDR... und ganz ohne weibliches Bandmitglied, was eigentlich immer irgendwie schade ist. Tom Gross (Drums) und Rainer A. Schmidt (Trombone, Vocals) gründeten 1987 in Dresden die Band Kot Mpi, verstärkt durch die Musiker Ray van Zeschau (Vocals), Jens Dittschlag (Guitar) und Heiko Schramm (Bass) traten sie dann 1988 am Tag der Republik im Klub Südstadt in Cottbus zum ersten Mal live auf. Die Band nannte sich nun Freunde der italienischen Oper, ein Name mit Geschichte. Bereits im Jahr 1928 gründeten Franz Friedrich Kunze und Constante Lazzioli in Berlin die avantgardistische Musiker*innenvereinigung Il Grande Silenzio, die von Spöttern als Freunde der italienischen Oper bezeichnet wurde. Die Vereinigung löste sich 1933 auf und die beiden Gründer wanderten nach Skandinavien aus. Constante Lazzioli starb dort 1944 an den Folgen einer Lungenentzündung, doch Franz Friedrich Kunze kehrte 1948 in den Ostsektor Deutschlands zurück und gründete dort 1956 mit Renate Baptist, Albert Schmidt, Hans Griese, Stephan Stoév und Bernhard Dittschlag wiederum eine avantgardistische Musiker*innenvereinigung, diesmal ironischerweise unter dem Namen Freunde der italienischen Oper. Doch die Firma Amiga, die in der DDR inzwischen das Monopol für Schallplattenveröffentlichungen hatte, zeigte sich an einer Zusammenarbeit nicht interessiert und nach weiteren Repressalien löste sich die Vereinigung 1967 wieder auf. Ja, und 1988 kehrten die Freunde der italienischen Oper als Popband zurück. Beim Auftritt der Band im Klub Südstadt wurde der Regisseur Wolfgang Engel auf sie aufmerksam und engagierte sie für seine Faust-Inszenierung am Staatsschauspiel Dresden, obwohl die Band noch keine staatliche Spielerlaubnis hatte. Die bekam sie dann aber rechtzeitig zur Aufführung. Die Gründer Tom Gross und Rainer A. Schmidt verließen die Freunde der italienischen Oper 1989 und wurden durch Ralph Qno Kunze (Drums) und Roger Baptist (Fagott, Keyboards, Vocals) ersetzt. Roger Baptist erlangte später unter dem Pseudonym Rummelsnuff einige Berühmtheit. Im Studio von Oljeg Marosov alias Olaf Opitz nahm die Band 1990 ihr erstes Album auf, doch die fertigen Bänder verschwanden bei einem Einbruch ins Studio und tauchten nie wieder auf. Das Debütalbum "Um Thron und Liebe" erschien dann 1991 beim Label Par Excellence und 1992 lösten sich die Freunde der italienischen Oper auf. Das Album wurde 1997 beim Label What’s So Funny About neu aufgelegt. Auf "Um Thron und Liebe" ist auch der Song "Sentimental Sea" zu finden. Beim Label Strandard63 erschien 1996 noch die CD "Edle Einfalt Stille Grösse" mit Songs aus den Jahren 1989 bis 1992. Okay. Der Song "Sentimental Sea" ist auch auf der 1990 bei Zieh dich warm an Tapes erschienenen Kassette "Mutmaßliche Terroristen in Haft... / Gott schütze den Innenminister" enthalten, obs die gleiche Version ist weiß ich nicht, da ich diese Kassette noch nie gehört hab. Ich habe gerade das Buch "DIE DADA - Wie Frauen Dada prägten" gelesen, es ist 2015 beim Verlag Scheidegger & Spiess erschienen und wurde von Ina Boesch herausgegeben. Das Buch ist gut, yeah. Es brachte jetzt nichts wirklich Neues in mein Leben, da ich bereits das 1999 beim AvivA Verlag erschienene und von Britta Jürgs herausgegebene Buch "Etwas Wasser in der Seife - Portraits dadaistischer Künstlerinnen und Schriftstellerinnen" im Buchregal stehen habe. Im Vorwort dieses Buches "Etwas Wasser in der Seife - Portraits dadaistischer Künstlerinnen und Schriftstellerinnen" schreibt Britta Jürgs: Dada ist Teamwork, Gemeinschaftsproduktion. In der Rezeption wurde (und wird) der Anteil der Frauen gerne unterschlagen. Sie werden höchstens als Zeitzeuginnen berühmter Männer wahrgenommen und erst im Anschluß daran (wenn überhaupt) als interessante und eigenständige Persönlichkeiten, die ihren Anteil zu Dada beitrugen, entdeckt. Ina Boesch holt noch mehr Frauen an Bord des Schiffleins Dada: ...nicht nur die Frauen im Zentrum, die ein eigenständiges, nachhaltiges Werk geschaffen oder die dadaistische Geisteshaltung gelebt haben und somit mit Fug und Recht Dadaistinnen genannt werden können, sondern auch die Frauen an der Peripherie dieses Zirkels, die nur ein- oder zweimal auf einer Bühne oder in einer Zeitschrift einen Gastauftritt hatten und die auch in ihrem damaligen Selbstverständnis keine Dadaistinnen waren. Okay, lest beide Bücher, kann nicht schaden, wo sonst erfahrt ihr etwas über die Künstlerin Alice Bailly, die in der Zürcher Ausgabe von Picabias Zeitschrift 391 eine Zeichnung publizierte und an der 8. Dada-Soiree im Zürcher Kaufleutensaal zusammen mit Augusto Giacometti auftrat. Ich jedenfalls habe mich über dieses Kennenlernen sehr gefreut. Das Buch "Etwas Wasser in der Seife - Portraits dadaistischer Künstlerinnen und Schriftstellerinnen" ist 1999 im AvivA Verlag erschienen.

18.10.2022