Frank Stokes: "I'm Going Away Blues" (1929)


"I'm Going Away Blues" von Frank Stokes ist auch ein Bluessong, an dem man sich nie satt hören kann. Frank Stokes wurde 1888 in Whitehaven, Tennessee geboren und zog nach dem Tod seiner Eltern nach Hernando, Mississippi, wo er als Hufschmied lebte. An den Wochenenden ging er nach Memphis, um dort Musik zu machen. Eine Weile zog er mit der Doc Watts Medicine Show durch die Lande. In dieser Medicine Show trat er als Blackface Songster auf. Blackface nannte man eigentlich Weiße, die sich ihr Gesicht schwarz anmalten und Farbige grob und oft mit rassistischen Anflügen parodierten. Frank Stokes war ein Farbiger, der sich sein ohnedies schwarzes Gesicht noch schwärzer anmalte und - uups - einen Weißen parodierte, der einen Farbigen grob und oft mit rassistischen Anflügen parodiert. Ja, so komisch oder beschissen kann das Leben oft sein. Frank Stokes war nicht der einzige Farbige, der kurze Zeit sein Geld als Blackface Songster oder Blackface Minstrel verdiente. 1927 gründete Frank Stokes gemeinsam mit Dan Sane das Duo Beale Street Sheiks, mit dem er erste Plattenaufnahmen machte. 1928 und 1929 nahm er für Victor Records als Solist auf. Danach endete seine kurze Aufnahmekarriere, doch live trat er weiterhin erfolgreich auf. In den 40er Jahren spielte er gelegentlich mit Bukka White. Frank Stokes verstarb 1955 in Memphis, Tennessee. Auf der Aufnahme vom "I'm Going Away Blues" wird er vom Fiddler Will Batts begleitet. Der Song findet sich auf der 2004 bei JSP Records erschienenen CD "Masters Of Memphis Blues 1928-1934: Frank Stokes & Allen Shaw". Auf der CD "The Songsters Tradition - Before The Blues", erschienen 2004 bei Saga Blues Records, ist der Song "Chicken You Can Roost Behind The Moon" von Frank Stokes enthalten. Die Aufnahme stammt von 1927 und Dan Sane ist als Gitarrist mit dabei, also ist es eigentlich eine Duo-Aufnahme der Beale Street Sheiks. Amiri Baraka schreibt in seinem Buch "Blues People. Von der Sklavenmusik zum Bebop" (die deutsche Neuauflage erschien 2003 bei orange press in Freiburg): Im Allgemeinen wird angenommen, dass der Jazz um die Jahrhundertwende seinen Anfang nahm; aber die Musikformen, von denen sich der Jazz herleitet, sind viel älter. Der Blues ist der Vater aller legitimen Jazzarten, und man kann unmöglich genau sagen, wie alt der Blues ist - gewiss aber nicht älter als die Anwesenheit der Neger in den Vereinigten Staaten. Er ist eine Musik, die in Amerika entstanden ist, das Produkt des Negers in diesem Land. Oder, um es genauer zu sagen, wie ich es jetzt sehe: Den Blues hätte es nicht gegeben, wenn die afrikanischen Gefangenen nicht zu amerikanischen Gefangenen geworden wären. Amiri Baraka, geboren 1934 als LeRoi Jones, war politischer Aktivist des Black Power Movement der 60er Jahre und zählte zu den wichtigen afroamerikanischen Dichtern der Gegenwart. Als LeRoi Jones war er als wohl einziger schwarzer Beat Poet bekannt und veröffentlichte in seiner 1958 in Greenwich Village gegründeten Totem Press unter anderen Texte von Allen Ginsberg, William Burroughs und Jack Kerouac. Amiri Baraka starb im Jänner 2014. "Blues People" sollte man lesen, um Pop People besser zu verstehen.