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Pubertät
mit Mädchen (leseprobe)
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als die grossmutter und ich zur zughaltestelle hinübergehen,
wird es bereits dunkel, die luft ist lau.
wir betreten die leere, finstere zughaltestelle, die grossmutter nimmt
mich in ihre arme, die ein wenig schlottern, und ich schliesse die augen.
wir drehen uns und neigen uns langsam, als ob sich uns die gleichen bewegungsimpulse
mitteilen, treiben zu den heftigen, wolkenbruchartigen regengüssen
dahin und bewegen uns im takt der aufschlagenden regentropfen.
grandma you are a groove
you're like the planets when you move
see the winter' coming
in a two finned caddy
gonna walk upon the waters go ooo yea
ich bin nicht sicher, ob ich mit meiner belegten, musikalisch begnadeten
stimme laut gesungen habe oder ob die worte, wie die musik und der druck
ihrer schlotternden arme und ihres stark ausgebildeten busens, ein teil
meines denkens sind.
süsser, weisst du, was man von menschen behauptet, die bei regen
tanzen?, flüstert die grossmutter mir ins ohr.
was?
ich sag es dir später.
der regen hört auf, wir lösen uns voneinander, halten uns aber
weiter an den händen.
herr martin klatscht in die hände. noch mal!, noch mal!, für
die grossmutter und ihren tollen kleinen süssen.
der regen beginnt noch einmal zu fallen. und die grossmutter und ich schweben
wieder über die zughaltestelle.
herr martin sagt lauthals: das wärs vorläufig, ihr beiden. der
regen legt ein paar monate pause ein.
während die grossmutter mich zur bank auf der zughaltestelle führt,
sagt herr martin: rosa, würdest du misstrauisch werden, wenn ich
vorschlage, dass unser süsser mich zeichnet?
sollte ich?
grossmutters hand lässt die meine los, und herr martin greift nach
mir. er legt mir den arm um die taille.
absolut. herr martin wirft einen blick auf die uhr an seinem schmächtigen
handgelenk. sowieso schon fast zwölf. besteht die grossmutter auf
mittagessen?
morgen früh gibts wieder frühstück.
hast du angst zu verhungern?
nein. nur, die grossmutter kocht so gut für uns, und ich möchte
nichts gegen ihren willen tun.
du bist ein empfindsames, liebenswürdiges früchtchen, süsser.
ich habe angst um dich.
warum?
die wiesenregel. die wiese erblüht durch die empfindsamen, liebenswürdigen,
weil sie hineingetrampelt werden.
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