Furious Pig: "I Don't Like Your Face" (1981)


 

Experimental Punk, yeah. Die Band Furious Pig wurde Anfang der 80er Jahre von Cass Davies, Dominic Weeks, Martin Kent und Stephen Kent in South Devon, England gegründet. Ihre erste Veröffentlichung war der Song "Bare Pork" auf dem 1981 von Rough Trade Records und New Musical Express herausgegebenen Kassettensampler "NME / Rough Trade C81". Bei Rough Trade erschien dann 1981 noch eine gleichnamige EP der Band, auf der die 3 Songs "I Don't Like Your Face", "Jonnys So Long" und "The King Mother" zu finden sind. Ja, und nach der ebenfalls 1981 bei Vanity Records erschienenen Flexi-Disc "3 June 1981 The Venue London" war bereits wieder Schluss mit Furious Pig. Cass Davies und Dominic Weeks machten gemeinsam unter dem Namen Het weiter und veröffentlichten 1984 bei Woof Records das Album "Let's Het". Martin Kent veröffentlichte 1983 bei Rough Trade unter dem Pseudonym Martin Pig die Single "Lovely Rita / Somebody Loves You". Alle 4 Furious Pigs sind auch auf dem 1984 beim Label Salomé Discs erschienenen Album "Lonely At The Top" von Hermine a.k.a. Hermine Demoriane mit dabei. Dominic Weeks tauchte dann Mitte der 90er Jahre mit der Band Dial wieder in der Popwelt auf, die 1995 in der Besetzung Jacqui Ham (Vocals, Guitar), Dominic Weeks (Bass) und Rob Smith (Guitar, Drum Machine) beim Label CEDE ihr Debütalbum "Infraction" veröffentlichte. Seither haben Dial noch die Alben "Distance Runner" 2000, "168k" 2007, "Western Front" 2012 und "Noise Opera" 2016 veröffentlicht. Als vierter Musiker ist seit dem zweiten Album noch Alex Brandau (Bass, Sampler, Tape) bei Dial mit dabei. Furious Pig: The thing we do when we're making up a number is, we just see what noises we can make, because all people can make particular noises which probably no one else can. That's something we aim for. Habe gerade das Buch "Amerika-Euphorie - Amerika-Hysterie (Populäre Musik made in USA in der Wahrnehmung der Deutschen 1914-2014)" gelesen, es erschien 2017 beim Waxmann Verlag und wurde von Michael Fischer und Christofer Jost herausgegeben. Das Buch hat so seine Längen und ist manchmal gar arg professoral, aber es ist mitnichten uninteressant. Herwarth Walden alias Georg Lewin, von 1910 bis 1932 Herausgeber der Kunst- und Literaturzeitschrift Der Sturm, schrieb über ein Konzert des Jazzpianisten und Bandleaders Sam Wooding, der 1925 mit seinem Orchester Chocolate Kiddies in Berlin gastierte: Da sitzen plötzlich Sam Wooding und sein Orchester auf der Bühne. Ohne Noten. Rauschen, Heulen, Ächzen, Schnattern, Plärren, Raunen, Greinen, Klappern, Klirren schwingen durch den Raum. Geräusche klingen und fügen sich zu einem Organismus zusammen. Alle waren damals natürlich nicht so vom Jazz begeistert, im Berliner Lokal-Anzeiger war 1923 über ein Konzert des Whiteman-Orchesters zu lesen: Zum Standpunkte der Musik als Kunst, wie wir sie als Bestandteil unserer Kultur in höchster Schätzung hegen, ist zu dem, was Herr Paul Whiteman mit seiner Schar vollführt, kaum etwas Ernsthaftes zu sagen. Es sind zwei ganz verschiedene Welten, die nicht zueinander gehören und auch nicht zueinander gelangen werden, die allenfalls die Befürchtung aufkommen lassen könnten, die Schlimmere von beiden könnte die andere vernichten. Doch auch diese Befürchtung ist, glaube ich grundlos. André Port le roi schreibt über den deutschen Rock'n'Roll: Verglichen mit dem ekstatischen Schlachtruf des amerikanischen Originals von Little Richard war die deutlich verlangsamte deutsche Version von "Tutti Frutti" mit ihrer harmlosen Instrumentierung nur ein müder Abklatsch. (…) Deutscher Rock'n'Roll orientierte sich seit seinem Beginn am konformen Rock'n'Roll, an den Balladen und Rockschnulzen, die für den deutschen Markt noch einmal entschärft wurden. Übrig blieb Teeny-Musik, die nur noch Versatzstücke der amerikanischen Hysterie enthielt. Die deutsche Version von "Tutti Frutti" sang Peter Kraus. Oh Kraus. Das Buch ist stellenweise sogar witzig, professoral witzig eben. Das Schlusswort kommt diesmal von Mark 'k-punk' Fisher: Die produktivste Art, das Persönliche politisch zu verstehen, ist, das Persönliche als nicht persönlich anzusehen. Es ist für uns alle elend, wir 'selbst' sein zu müssen (und mehr noch, gezwungen zu sein, uns selbst zu vermarkten). Kultur und Kulturanalyse hat ihre Bedeutung nicht zuletzt dadurch, dass sie uns vor uns selbst zu entkommen erlaubt. Okay, hört euch Furious Pig an, sie waren great. Good night.

22.09.2020