Harry Partch: "Barstow - Eight Hitchhiker Inscriptions" (1968)


Harry Partch war Musiker, Komponist, Erfinder, Intrumentenbauer und Theoretiker der so genannten Avantgarde. Er schrieb die meisten seiner Musikstücke für selbst erfundene und gebaute Instrumente, die in reiner Stimmung gestimmt waren. "Barstow - Eight Hitchhiker Inscriptions" ist eine Komposition für Gesang und 'Adapted Guitar', der Text ist von Graffiti inspiriert, die Harry Partch an einem Autobahnkreuz in Barstow gefunden hat und die Musik funktioniert nach dem von ihm erdachten Tonvorrat von 43 Stufen. Was das nun genau heißt, weiß ich auch nicht so richtig, hat irgendwie mit erweiterten Tonleitern und mikrotonaler Musik zu tun, hoffe ich zumindest. Jedenfalls hört es sich fantastisch an. Harry Partch wurde 1901 in Oakland, Kalifornien geboren und lernte bereits als Kind Instrumente wie Klarinette, Harmonium, Bratsche und Gitarre zu spielen. Seine Eltern, die bis knapp vor seiner Geburt als presbyterianische Missionare in China tätig waren, förderten die musikalischen Ambitionen ihres Sohnes wohlwollend. Schon in seiner Jugend komponierte Harry Partch erste Werke in der in der abendländischen Musik üblichen Zwölftontemperierung, die er aber allesamt nach der Lektüre des Buches "Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik" von Hermann von Helmholtz verbrannte. Im Jahr 1934 erhielt Harry Partch ein Stipendium der Carnegie Corporation, das es ihm möglich machte, nach London zu übersiedeln, um unter anderem altgriechische Tonsysteme zu studieren. Er lernte den Dichter William Butler Yeats in Dublin kennen und bekam von ihm die Zustimmung seine Übersetzung von Sophokles' "König Ödipus" in einer geplanten Oper zu nutzen. Doch als er 1935 in die USA zurückkehrte war die Great Depression im Gange und er musste sich längere Zeit als Gelegenheitsarbeiter durchschlagen. Trotz der schwierigen Situation, fand er immer wieder Freunde, die ihm finanziell unterstützten und ihm so die Möglichkeit gaben, Instrumente zu bauen und Aufführungen mit jungen Musiker*innen zu organisieren. Um die seinen Vorstellungen entsprechenden Klänge auf der Basis der die Oktaven unterteilenden 43 Mikrotöne erhalten zu können, erfand oder adaptierte Harry Partch eine ganze Reihe neuer Instrumente, wie die Cloud Chamber Bowls und das Chromelodeon, ein auf 43-teilige Oktaven gestimmtes Harmonium. Er entwarf für seine musikalischen Ziele geeignete vergrößerte Kitharas, Zithern, den Gourd Tree und baute Marimbas in Instrumente wie The Boo oder Quadrangularus Reversum um. Anfang der 40er Jahre schrieb Harry Partch Werke wie "Barstow - Eight Hitchhiker Inscriptions" und "U.S. Highball - A Musical Account of Slim’s Transcontinental Hobo Trip", die Vertonung einer Frachtzugreise von San Francisco nach Chicago. Im Jahr 1942 reiste Harry Partch nach New York, wo ihm der Komponist und Vorreiter der Elektronischen sowie Tape Musik Otto Luening Vorträge an diversen Hochschulen vermittelte. Ein Jahr später bekam Harry Partch das Guggenheim-Stipendium für die Konstruktion neuer Instrumente und die Aufführung seines "Monophonic Cycle" in der New Yorker Carnegie Chamber Music Hall zugesprochen. Ab 1944 arbeitete er mit der Universität von Wisconsin in Madison zusammen und die dortige University Press veröffentlichte 1949 sein Buch "Genesis Of A Music". Ende der 40er Jahre stellte ihm der Komponist und Pianist Gunnar Johansen die alte Schmiede auf seiner Ranch in Gualala, Kalifornien zur Verfügung, die Harry Partch zu einem Studio umbaute. Dort entstanden neue Instrumente und Tonaufnahmen, unter anderem mit dem Musiker und Komponisten Ben Johnston. Im Jahr 1953 übersiedelte Harry Partch dann nach Sausalito, Kalifornien, wo er in einer alten, verlassenen Werft im Gate 5 ein eigenes Ensemble aufbaute und mit Hilfe einiger Freund*innen das Label "Gate 5" gründete. In den 50er und 60er Jahren entstanden Werke wie "The Bewitched", "Revelation In The Courthouse Park", "And On The Seventh Day Petals Fell In Petaluma", "Delusion Of The Fury" und endlich auch die Oper "König Ödipus". Doch William Butler Yeats war inzwischen verstorben und seine Testamentsvollstrecker verweigerten Harry Partch die Verwendung seiner Übersetzung, sodass er sich selbst an die Arbeit machte und eine eigene Übersetzung von Sophokles anfertigte. Wow! Er organisierte selbst Aufnahmen seiner Werke, die dann beim Label Gate 5 veröffentlicht wurden, ja, und in den letzten Jahren seines Lebens wurden einige seiner Werke bei Columbia Records veröffentlicht. Harry Partch starb 1974 im Alter von 73 Jahren an einem Aneurysma. Seine Instrumente werden in der University of Washington aufbewahrt und auch immer wieder für Aufnahmen genutzt, unter anderem von John Schneider und seinem Ensemble PARTCH, vom Musikproduzenten Hal Willner bei den Aufnahmen des Albums "Weird Nightmare: Meditations On Mingus" 1992 oder vom Popmusiker Paul Simon bei der Aufnahme des Songs "Insomaniac’s Lullaby". Gut, von so genannten Otonalities, Utonalties oder der Terz-Schichtung will ich jetzt nicht fasseln, sondern sage einfach: Hört Harry Partch! It's great, it's Pop! Die 68er Aufnahme von "Barstow - Eight Hitchhiker Inscriptions" findet man auf der 2004 bei New World Records erschienenen CD "The Harry Partch Collection Volume 2". Bei New World Records erschienen auch "The Harry Partch Collection Volume 1" 2004 und "The Harry Partch Collection Volume 3" 2005, alle 3 CDs sind sehr, sehr hörenswert. Und jetzt noch eine Aufzählung einiger von Harry Partchs selbstgebauter Instrumente: The Ptolemy, Chromelodeon, Marimba Eroica, The Boo, Bloboy, Crychord, Zymo-Xyl, Gourd Tree, Quadrangularus Reversum, yeah, und viele mehr. Im Netz gibts auch Abbildungen von Harry Partchs Instrumentarium. Viel Freude damit!