"Original Stack O' Lee Blues"
nannten Long Cleve Reed & Little Harvey Hull ihre Aufnahme, doch
Stack O' Lee oder Stagger Lee wurde schon drei Jahre zuvor auf einer
Platte der Fred Waring’s Pennsylvanians besungen. Der Original
Stagger Lee war der Afroamerikanische Zuhälter Lee Shelton, der
am Weihnachtsabend 1895 seinen Widersacher William 'Billy' Lyons im
Bill Curtis Saloon in St. Louis erschoß. Bumm. Ohje. Diese Tat
wurde Teil der Popgeschichte. Die berühmteste Version wurde von
Lloyd Price 1958 aufgenommen und war 1959 Nummer eins in den Billboard
Hot 100. In den 60er Jahren hatten Ike & Tina Turner, James Brown
und Wilson Pickett mit dem Song Erfolg. Auch der Song "Wrong 'Em
Boyo" von The Clash oder genauer gesagt von der Rocksteady Group
The Rulers aus Jamaika erzählt diese Geschichte. Eine weitere schöne
Version wurde von Nick Cave & The Bad Seeds 1996 für ihr Album
"Murder Ballads" aufgenommen. Die letzte mir bekannte Version
stammt von der US-Amerikanischen Punkband Modern Life Is War und befindet
sich auf ihrem 2007 beim Label Equal Vision erschienenen Album "Midnight
In America".
Long Cleve Reed und Little Harvey Hull kamen irgendwo aus Mississippi
und zogen als Songsters durch die Lande. Als Dritter im Bunde war oft
der Gitarrist Sunny Wilson mit auf Achse. Long Cleve Reed war auch als
Big Boy Cleveland im Studio und Little Harvey Hull nannte sich in späteren
Jahren Papa Harvey Hull. Für manche Aufnahmen nannten sie sich
auch The Down Home Boys, zum Beispiel für ihre 1924 erschienene
Schellack "Alabama Bound". Der "Original Stack O' Lee
Blues" von Long Cleve Reed & Little Harvey Hull findet sich
auf der 2004 bei Saga Blues Records erschienenen CD "The Songsters
Tradition - Before The Blues". Als ich eines Nachts auf dem
Bahnhof von Tutwiler, Mississippi vor mich hindöste und auf einen
Zug mit neun Stunden Verspätung wartete, klopfte mir plötzlich
das Leben auf die Schulter und machte mich mit einem Schlag hellwach.
Während er spielte, preßte er ein Messer auf die Saiten seiner
Gitarre - eine Technik, die von den Gitarristen aus Hawaii eingeführt
worden war, die dazu ein massives Stück Metallrohr, den steel-bar,
benutzten. Die Wirkung war unvergesslich. Aber auch das, was er sang,
packte mich sofort. Goin' where the Southern cross the Dog. Der Sänger
wiederholte diese Zeile dreimal und begleitete sich dabei auf der Gitarre
mit der irrsten Musik, die ich jemals gehört hatte. Diese
Geschichte passierte 1903 und wird von William Christopher Handy erzählt,
der einige Jahre später 1912 als W.C. Handy mit seinem
"St. Louis Blues" Popgeschichte schrieb. Oho! Einer der
schlimmsten Übeltäter war der aus der schwarzen Mittelschicht
stammende W.C. Handy, der nur deshalb als Vater des Blues gilt, weil
er einer der ersten war, der die Musik in Noten niederschrieb,
schreibt dazu der farbige Autor Nelson George in seiner Geschichte der
schwarzen Musik. Okay, da hat er wohl recht, aber auch Nelson George
gesteht W.C. Handy eine durchaus wichtige Rolle in der Geschichte der
schwarzen Musik zu: Handy war zwar mitnichten der Vater des Blues,
aber er hatte eher als seine Zeitgenossen verstanden, welchen ökonomischen
Wert der Blues darstellte. Er gab einige traditionelle Bluesmelodien,
die er neu arrangiert hatte, als seine eigenen Kompositionen aus, aber
er finanzierte 1921 auch eines der ersten rein schwarzen Musiklabels,
Black Swan. W.C. Handy warb für sein Label mit Sprüchen
wie: Die einzigen Schallplatten, die nur von Farbigen gemacht werden.
Oder: Die einzigen Schallplatten, auf denen ausschließlich
Negerstimmen zu hören sind. Ja, W.C. Handy mag ein Schlitzohr
gewesen sein, aber er hat auch in die schwarze Community investiert,
also sollten wir ihn mitnichten in Vergessenheit geraten lassen.