Michel Waisvisz: "Dutchjazzcircus" (1978)


Michel Waisvisz findet man meist unter Jazz, manchmal unter Electronic, meist aber gar nicht im Musikhandel. Echt schade. Michel Waisvisz wurde 1949 in Leiden, Holland geboren und begann bereits Ende der 60er mit elektronischer Musik zu experimentieren, zum Teil mit extra von ihm entwickelten Instrumenten wie dem Tape Puller, der Crackle Box oder dem Crackle Synth. In den 70ern war Michel Waisvisz ein umtriebiges Mitglied der Amsterdamer Electric Music Theatre Scene und Anfang der 80er wurde er dann Artistic Director von STEIM (Studio for Electro Instrumental Music) in Amsterdam. STEIM wurde 1969 von den Musikern und Komponisten Reinbert de Leeuw, Misha Mengelberg, Louis Andriessen, Peter Schat, Dick Raaymakers, Jan van Vlijmen und Konrad Boehmer gegründet. Die Tonträger von Michel Waisvisz sind nicht gerade sehr zahlreich, aber es gibt sie. Beim Label Instant Composers Pool erschien 1978 das Album "Lumps", eine Collaboration der Musiker Michel Waisvisz (Synthesizer), Steve Lacy (Saxophone), Maarten Van Regteren Altena (Bass) und Han Bennink (Percussion, Drums). Im gleichen Jahr erschien von Michel Waisvisz auch das Soloalbum "Crackle" bei FMP Records, auf dem er mit dem Crackle Synth, einem modifizierten Putney VCS 3 Synthesizer, einem vom Komponisten und Musiker Hugh Davies gebauten modified spring-board und der Mundharmonika ein punkiges Universum schafft. "Crackle" ist eines meiner Lieblingspunkalben. Bei Claxon Records erschienen ebenfalls 1978 das Album "Live Performances" von der Band K’ploeng, das waren Derek Bailey (Guitar), Michael Waisvisz (Electronics, Electric Miniharp, Guitar, Objects), Tristan Honzinger (Cello), Maarten Van Regteren Altena (Cello, Bass), Mauris Horsthuis (Violin) und Terry Day (Percussion, Mandolin, Clarinet, Objects) sowie die Single "Nit Hit A: Baby, In Your Arms / Nit Hit B: Is This The End" von Michel Waisvisz und Moniek Toebosch. Bei der Single bin ich mir beim Erscheinungsjahr nicht ganz sicher. Egal. Michel Waisvisz war lange Zeit Mitorganisator des Electrical Sound Festivals in Holland und Mitglied des ICP Tentet, mit dem er die Alben "Tetterettet" 1977 und "I.C.P.-Tentet In Berlin" 1979 veröffentlichte. Er spielte Live und auf Tonträgern mit Phil Minton, Laurie Anderson, DJ Spooky, Willem Breuker, Peter Brötzmann, Shelley Hirsch, Mazen Kerbaj etcetera etcetera. In den 2000ern erschienen von ihm die Alben "In Tune" 2005 bei Sonig Records und im Duo mit Christine Sehnaoui "Shortwave" 2008 beim Label Al Maslakh. Michel Waisvisz starb 2008 im Alter von 59 Jahren in Amsterdam. Mein Lieblingsalbum von ihm ist und bleibt "Crackle" 1978, auf dem auch der Song "Dutchjazzcircus" zu finden ist, das Album gibts als free download bei WFMU’s Beware of the Blog. Hört euch Michel Waisvisz an, seine Musik hat mir persönlich über viele schlechte und gute Stunden hinweggeholfen. Diedrich Diederichsen: Man muss wieder diskutieren, Begriffe verwenden, Dinge aussprechen, Bücher lesen, explizit werden. Hab gerade das Buch "kamikaze musike" von Peter Trawny gelesen, es ist 2019 bei Matthes & Seitz erschienen. Bevor ein Stück komponiert, ein Text geschrieben wird, müssen Musik und Sprache ausgehorcht worden sein, was ein unmögliches Unterfangen ist. Gewiss handelt es sich um ein inneres Hören, doch es gibt Gründe zu behaupten, dass alles Hören ein inneres sein muss, auch wenn es sich auf Akustisches, auf Musik bezieht. Immerhin höre ja 'ich' und nicht meine Ohren.