Pell Mell: "Friend" (1972) |
Pell Mell wird oft im Zusammenhang mit Krautrock genannt, ist aber eigentlich eine Progrock-Band. Thomas Schmitt: Eine Synthese aus Popmusik, Jazz und Werken alter Meister. Der Song "Friend" ist super, anfangs fetzt er symphonisch, dann kommen nette Flöten und Gesänge, ein paar jazzig-experimentelle Scherze und zum Schluss fährt es wieder richtig los, symphonisch natürlich. Keine Angst, er ist wirklich ein Hörgenuss. Pell Mell wurde 1971 in Marburg, Deutschland gegründet und bestand aus Thomas Schmitt (Violin, Flute, Guitar), Rudolf Schön (Vocals, Guitar), Hans Otto Pusch (Piano, Organ), Jörg Götzfried (Bass) und Bruno 'Mitch' Kniesmeijer (Drums). Im Jahr 1972 erschien bei Bacillus Records das Debütalbum "Marburg". Bei Konzerten traten Pell Mell öfters mit ganzen Orchestern auf. Das zweite Album "From The New World" erschien 1973 bei Philips Records, die Zeitschrift Sounds schrieb darüber: Pell Mell gelingt auf "From The New World" zwar keine nahtlose Einheit von Rock und Klassik, denn da klaffen zwischen den einzelnen Parts noch nicht überbrückte Lücken, aber die Synthese ist ihnen recht gut gelungen. Ja, die ersten beiden Alben von Pell Mell sind auch die hörenswerten, danach wurde es etwas... sagen wir: merkwürdig. Das nächste Album "Rhapsody" 1976 erschien bei Venus Records und bestand aus Bearbeitungen klassischer Werke von Franz Liszt und Sergei Rachmaninoff sowie eigenen Kompositionen von Thomas Schmitt und Rudolf Schön, die aber allesamt äußerst bombastisch sind. Hans Otto Pusch hatte inzwischen die Band verlassen und der neue Mann an den Tasten war nun Cherry Hochdörfer. Naja, das nächste und letzte Album "Only A Star" 1978 war auch nicht gerade ein Meilenstein, danach lösten sich Pell Mell auf. Thomas Schmitt und Hans Otto Pusch veröffentlichten 1980 bei PM Records noch das Album "Skyrider". Die Band nannte sich ebenfalls Skyrider und außer den beiden gehörten noch die Musiker Michael Grebe (Vocals), Ralph Fricke (Guitar), Stephan Rehlich (Bass) und Werner Ettling (Drums) dazu. "Skyrider" ist irgendwie Hardrock von der eher langweiligen Sorte, wie Boston oder Toto, aber was solls, was solls. Die Band Pell Mell hatte durchaus ihre gute Zeit, yeah. Der Song "Friend" ist auf der 2012 bei Bacillus Records erschienenen CompilationCD "Classic Prog Rock Masterpieces - Made In Germany" zu finden. Die anderen Bands auf dieser Compilation sind Karthago, Nine Days Wonder, Tiger B. Smith, Epsilon, Nektar, Andromeda, Kalacakra, The Message, Frame, Morpheus, Virus, Kin Ping Meh und Join In. Manches darauf bewegt sich knapp an der Schmerzgrenze des verzweifelten Kunstwollens, aber Bands wie Nine Days Wonder, Kalacakra oder Kin Ping Meh mag ich, manchmal zumindest. So, zum Abschluss noch eine Buchempfehlung und zwar "Freuden und Mühen der Arbeit" 2008 von Alain de Botton, die deutschsprachige Ausgabe erschien 2014 beim Fischer Verlag. Im Kapitel "Malerei" wird vom einem Maler namens Stephen Taylor berichtet. Stephen Taylor hat einen Großteil der letzten 2 Jahre in einem Weizenfeld in East Anglia verbracht, um bei wechselndem Licht und Wetter immer wieder dieselbe Eiche zu malen. Er war letzten Winter draußen in einem halben Meter tiefen Schnee, und im Sommer hat er um 3 Uhr morgens unter dem Baum auf dem Rücken gelegen, um die oberen Äste im Licht des Sonnenwendmondes zu malen. An einem typischen Sommertag belädt dieser unbekannte Künstler mittleren Alters seinen Wagen und macht sich um 7 Uhr in der Frühe auf zur Arbeit. Einige Seiten später erfährt man dann, warum sich Stephen Taylor gerade diese Eiche ausgesucht hat. Taylor hat diesen Baum vor 5 Jahren entdeckt, als er einige Zeit nach dem Tod seiner Freundin spazieren ging. Er war stehen geblieben und hatte sich an den Zaun gelehnt, der unweit vom Baum verläuft, als ihn das ergreifende Gefühl überkam, irgendwas an diesem eigentlich recht gewöhnlichen Baum schreie geradezu danach, mit Farben festgehalten werden zu wollen, und dass er, wenn er dem Baum nur gerecht werden könnte, auf unbestimmte Weise erlöst und von seiner Not befreit werden würde. Nach einer wenig erfolgreichen Ausstellung mit 32 Studien der Eiche wendet sich Stephen Taylor schließlich Neuem zu. Taylor lässt sich vom mangelnden Erfolg nicht abschrecken. Vor kurzem hat er ein Dorf nördlich von Colchester besucht, um sich einen Zufluss zum River Colne anzusehen. Beim nächsten Projekt soll es um Wasser gehen. Er plant, sein Lager auf einem Steg einzurichten und dort einige Jahre lang den Fluss im Wechsel von Licht und Wetter zu malen. "Haben sie jemals Wasser gesehen?", fragt er. "Richtig gesehen, meine ich - so, als sähen Sie es zum ersten Mal?" Okay, hört Popmusik immer so, als hört ihr sie zum ersten Mal. Es ist immer wieder aufs Neue ein tolles Erlebnis. David Thomas, der Sänger von Pere Ubu sagte in einem Interview mit dem Rolling Stone: Ich finde, man sollte kein Musiker sein, wenn man nichts von Einsteins Relativitätstheorie versteht. Ich könnte mich jetzt leidenschaftlich gegen diese Aussage auslassen, aber ich tue es nicht, da ich sie mag, egal ob richtig, ob falsch oder irgendwo dazwischen. |