(...)
ich bin ein pseudonym.
ich bin mein pseudonym.
warum fritz widhalm?
weil es die gleichen initialen wie das fröhliche wohnzimmer hat.
closeF.W.
weil es die gleichen initialien wie unsere adresse hat, fuhrmannsgasse
wien.
closeF.W.
als dichter*in habe ich bisher 3 pseudonyme benützt, die anderen
beiden bleiben geheimnis.
fritz widhalm ist mein alltagspseudonym.
ich bevorzuge gewöhnliche pseudonyme.
außergewöhnliche pseudonyme begeistern mich wenig, aber was
solls, was solls.
ilse hat angerufen, ich muss jetzt schluss machen.
(…)
seit ich nicht mehr so gut höre, meide ich das gespräch. ich
trage jetzt zwar hörgeräte, aber ich meide weiterhin. hören
ist für mich zur arbeit geworden, arbeit, die man nicht einfach
so nebenbei verrichten kann.
closeich
lese viel.
closeich
lese gern.
closeich
lese sehr viel.
closeich
lese sehr gern.
mit dem hören von musik, habe ich leider so meine probleme. das
ist etwas traurig.
closeich
höre gern musik.
closeich
höre viel musik.
closeich
höre sehr gern musik.
closeich
höre sehr viel musik.
auch mit hörgeräten, nur kann ich leider nicht mehr genau
feststellen, ob das, was ich höre, das ist, was gespielt wird.
das ist vielleicht immer so, aber früher hatte ich zumindest die
illusion, dass es nicht so ist.
wissenschaft ist nicht nur eine geschichte des wissens, wie sie sich
gerne präsentiert, sondern auch eine geschichte des irrtums.
kunst ist eher eine geschichte der (un)möglichkeiten, denke ich.
oder denke ich zu viel?
closebumm
tschaka bumm.
ich habe meine version des songs "see that my grave is kept clean"
aufgenommen und ein video dazu gemacht.
die erste aufnahme des songs stammt vom bluesmusiker blind lemon jefferson
und erschien 1928 bei paramount records. als songwriter ist blind lemon
jefferson angegeben. manchmal wird auch der bluesmusiker walter 'furry'
lewis als songwriter genannt oder es steht schlicht und einfach traditional
in klammer unter dem titel.
es gibt zahlreiche versionen von "see that my grave is kept clean",
besonders schätze ich die version des japanischen popmusikers keiji
haino. er hat 2004 beim label les disques du soleil et de l'acier zwei
alben mit dem titel "black blues" veröffentlicht, "black
blues (violent version)" und "black blues (soft version)".
auf beiden alben sind die gleichen songs zu finden, eben in einer violent
version und einer soft version. ich ziehe die soft version von "see
that my grave is kept clean" der violent version vor, obwohl diese
auch sehr hörenswert ist. eine wunderschöne liveversion des
songs gibt es von der us-amerikanischen popmusikerin diamanda galas,
sie ist auf dem 2003 bei mute records erschienenen album "la serpenta
canta" zu finden.
closebumm tschaka bumm.
(…)
lesen ist eine wunderbare art von beschäftigung.
martin büsser schreibt in seinem buch "wie klingt die neue
mitte?":
es gibt nämlich auch noch einen anderen weg, sich an pop und
pubertät zu erinnern - unter anderem aus dem bedürfnis heraus,
den nostalgischen blick auf die jugend in eine zukunftsgerichtete gesellschaftsutopie
umzumünzen und damit unabhängig vom biologischen alter die
momente der intensität und mit ihnen das recht auf tagtraum, ausschweifung
und auflehnung gegen den zweckbestimmten ökonomischen alltag einzuklagen.
dieses moment kann allerdings nur denjenigen ein bedürfnis sein,
die popkultur nicht bloß als angenehme, aber letztlich biographisch
folgenlose berieselung empfunden haben, als bloß nostalgischen
schauer beim wiederhören eines songs, der im autoradio lief, als
man zum ersten mal geknutscht hat, sondern für die sie eine ästhetische
erschütterung darstellte, die als 'gesellschaftliche antithesis
zur gesellschaft', als welche adorno kunst bezeichnete, den eindruck
einer möglichen anderen gesellschaft vermitteln konnte. und damit
bin ich wieder beim punk angelangt. dort nämlich waren pubertät
und popkultur nicht alleine verbunden mit der sehnsucht nach jugend,
sondern mit der utopisch nach vorne gewandten sehnsucht, ein ganz bestimmter,
nämlich pubertärer zustand möge anhalten und als solcher
nie aus dem leben verschwinden: der zustand, sich der welt gegenüber
aufgrund ständiger intensiver erlebnisse nahe zu fühlen, zugleich
aber fremd gegenüber der art, wie gesellschaft beschaffen ist.
closeokay.
ich wurde als baby geboren, dann wurde ich friedrich getauft und kind
genannt, mit 15 jahren kam pop und die pubertät über mich,
ja, und nächstes jahr, 2021, werde ich 65 jahre alt und gehe in
pension, rente oder wie man es nennen will.
closeokay.
ilse findet diese schreibung meines lebens nicht okay, sie meint, es
könnte menschen, die die meiste zeit ihres lebens einen scheißjob
machen mussten, beleidigen.
closeokay.
ilse und ich teilen die meinung, dass niemand ein leben lang einen schlecht
bezahlten scheißjob machen soll.
gesellschaftlich notwendige scheißjobs gehören gut aufgeteilt
und bestens entlohnt.
auch das prestige solcher jobs muss ein hohes sein.
die idee mit der pubertät, als zeit des denkens, grübelns,
diskutierens und verändern wollens, finde ich gut und damit auch
das verlangen, sie bis ins alter zu bewahren. nein, nicht diese mainstream-idiotie
vom jungbleiben, jungfühlen und sonstigem jungblabla, sondern einfach
nicht mit dem denken, grübeln, diskutieren und verändern wollen
bis ins hohe alter aufzuhören. man kann auch mit dem rollator eine
fridays for future demonstration besuchen, auch mit einem rollator
auf dem groß NO FUTURE gesprüht steht.
closeokay.
warum mit 65 in pension?
ich werde höchstwahrscheinlich weder mit dem denken, grübeln,
diskutieren noch mit dem verändern wollen schluss machen, womit
ich aber schluss mache, ist das drängeln um präsenz und anerkennung
als künstler*in, das erforderlich ist, erstens) um als
künstler*in erkannt zu werden, zweitens) um als künstler*in
anerkannt zu werden und drittens) um als künstler*in etwas
geld zu verdienen.
closeokay.
ich hoffe, ich war nie besonders rücksichtslos im drängeln.
ich denke, es ist nichts besonderes, künstler*in zu sein, es ist
eine möglichkeit, sich den nötigen raum zu schaffen, zum denken,
grübeln, diskutieren und verändern wollen.
closeokay.
ich bin heute nicht gerade guter laune.
eigentlich lehne ich laune für mich ab.
manchmal gehe ich mir ziemlich auf den wecker.
in unserem, also ilses und meinem haushalt, gibt es zwei wecker, einen
wecker der grunzt und einen radiowecker.
uhren mit zusätzlicher weckfunktion gibt es laut wikipedia seit
dem 14. jahrhundert, dante alighieri beschreibt in seiner 1320 erschienenen
"göttlichen komödie" bereits ein uhrwerk, das mit
einem weckmechanismus ausgestattet ist.
ich habe dantes "göttliche komödie" bisher nicht
gelesen, vielleicht werde ich es noch tun, vielleicht auch nicht.
das mit dem diskutieren ist schwieriger geworden, ich höre schlecht
ohne hörgeräte und mittelmäßig mit hörgeräten.
ich bemühe mich.
closeokay.
schluss für heute, 25.06.2020.
(...)
kunst ist die fähigkeit zum schluss zu kommen, yeah.
wie dem auch sei, ich komme durchaus gerne zum schluss.
liv strömquist schreibt in ihrem comic "ich fühls nicht":
byung-chul han ist der ansicht, dass die bloße addition und
akkumulation im kapitalismus uns die fähigkeit nimmt, zum schluss
zu kommen. der ultimative schluss ist natürlich der tod, und darin
sind wir und unsere kultur richtig krass schlecht. vielleicht war es
schon immer so, dass die menschen schlecht im sterben waren, aber es
fühlt sich so an, als ob wir heute, genau jetzt, historisch beispiellos
schlecht im sterben sind. ein beispiel dafür, wie wir den tod verdrängen,
ist natürlich, dass wir versuchen, unser altern zu verschleiern.
ein weiteres beispiel könnte sein, dass diejenigen, die die möglichkeit
dazu haben, sich immer wieder neue partner*innen suchen. ein drittes
beispiel ist unsere totale fetischierung von 'gesundheit'. ist 'gesundheit'
vielleicht das einzige, das menschen noch interessiert?
ich bin arm, sage ich.
du bist nicht arm, sagt ilse.
oh doch, sage ich, ich fühls.
ich habe kein mitleid mir mir, ich habe meinen sinn gefunden, ich denke,
grüble, diskutiere und will verändern. manchmal gelingt es
mir auch.
ich bin reich, sage ich.
du bist nicht reich, sagt ilse.
oh doch, sage ich, ich fühls.
eigentlich lehne ich große gefühle für mich ab.
byung-chul han ist philosoph und autor, er wurde 1959 in seoul, südkorea
geboren und lebt heute in berlin, germany. sein buch "kapitalismus
und todestrieb" erschien 2019 beim verlag matthes & seitz.
der comic "ich fühls nicht" von liv strömquist erschien
2019 beim avant-verlag.
lesen ist eine wunderbare art von beschäftigung.
ich habe mir heute die bücher "bowies bücher - literatur,
die sein leben veränderte" von john o'connell, "sengendes
licht, die sonne und alles andere - die geschichte von joy division"
von jon savage und "metamorphosen - die unwahrscheinlichen wandlungen
des heavy metal" von jörg scheller gekauft. da wegen corona
alle unsere geplanten reisen storniert werden mussten, habe ich ein
kleines guthaben auf meiner visa-karte. guthaben halten sich bei mir
nie lang, ich vertraue auf neue guthaben, obwohl ich meist keine ahnung
habe, woher die kommen sollten.
kennt ihr die französische band ddaa (deficit des annes anterieures)?
die gibt es seit 1975 und sie macht tollen experimental pop.
yeah.
lernt sie kennen.
(...)
ich habe mein gedicht für den vorletzten sammelband unserer edition
das fröhliche wohnzimmer geschrieben.
vier strophen zu je vier zeilen, lautete unsere vorgabe für die
zur mitwirkung eingeladenen autor*innen.
mein gedicht trägt den titel ein gedicht.
closeerklärungen
gibt es viele auf dieser welt
closeich
trinke einen kaffee und esse gugelhupf
closeich
bin uneinsichtig, trotzdem mag ich erklärungen
closeich
trinke einen zweiten kaffee, ohne gugelhupf
closemein
leben ist warm von der sonne
closeaber
das interessiert mich eigentlich nicht
closeich
bin alt und trinke gerne kaffee, bier auch
closeund
dann wachsen mir flügel, rosarote flügel
closeerklärungen
teilen mich in zwei hälften, mindestens
closeauf
meinem körper beginnt zartes grün zu sprießen
closeaber
es dauert nicht lang, dann läuft mein denken weg
closemein
denken ist so alt, noch viel älter als ich es bin
closees
ist ein denken, über das ich nur staunen kann
closein
meinem denken ist alles erfunden, sogar ich selbst
closewahrscheinlich
gehöre ich ins museum oder ins bett
closeich
trinke noch einen kaffee, den vierten
open. das buch wird "sammlung" heißen und 40 gedichte
von 40 autor*innen sowie 40 fotos von schweinen aus unserem glücksschweinmuseum
enthalten. closed.
für jedes der 40 gedichte werde ich ein passendes schwein aussuchen.
2021 wird der letzte wohnzimmersammelband erscheinen. im juli 2021 werde
ich 65 jahre alt.
das fröhliche wohnzimmer wird aber weiterhin eine erscheinung bleiben.
auch das glücksschweinmuseum wird 2021 seine pforte schließen.
wie bereits erwähnt, ich komme durchaus gerne zum schluss.
close
ich sage gerne und und und.
ich komme durchaus gerne zum schluss.
ich sage gerne schluss.
ich komme durchaus gerne zum und und und.
ich mag staubwedel.
der staubwedel besteht aus einem dünnen, leicht biegsamen stab,
an dem viele borsten aus kunststoff, federn oder ähnlichem angebracht
sind. die borsten sind weich und biegsam, damit die möbel nicht
zerkratzt werden.
closecystofix
closemarmorguglhupf
closekremšnita
closehumoralpathologie
closestuhlgang
closeetcetera
closewiederholung
closeprostata
closestaubwedel
neun schöne worte. wieviele schöne worte werden sich in meinem
alterswerk wohl ausgehen?
in alphabetischer reihenfolge:
closecystofix
closeetcetera
closehumoralpathologie
closekremšnita
closemarmorguglhupf
closeprostata
closestaubwedel
closestuhlgang
closewiederholung
neun schöne worte. alterswerk ausgehen in meinem schöne sich
werden wieviele wohl worte?
ich mag alphabetische reihenfolge.
ich habe auf meinem computer ein gedicht gefunden, dem ich den titel
gedicht nr.1/2012 gab. keine ahnung, ob
ich es je irgendwo veröffentlicht habe.
closesuche ich etwas?
closees ist
dunkel
closeich kann
aber nicht einschlafen
closees ist
nicht mehr sehr dunkel
closewas tue
ich, während ich nicht schlafe?
closeach,
ich denke!
closeich mache
einige gedanken
closesie sind
groß
closesie sind -
zweifellos
closeziemlich
groß
closesie sind
ein doppelbett
closeich habe
allen platz der welt
closewas,
ist es schon tagsüber?
closeja sicher,
aber wie lange noch?
closejedenfalls
kenne ich das tagsüber
closeich setze
mich auf die bettkante
closenein,
es fehlt mir nichts!
wie würde dieses gedicht in alphabetischer reihenfolge aussehen?
erster versuch, zeile für zeile:
closeetwas ich suche?
closedunkel
es ist
closeaber
einschlafen ich kann nicht
closedunkel
es ist mehr nicht sehr
closeich ich
nicht, schlafe tue während was?
closeach,
denke ich!
closeeinige
gedanken ich mache
closegroß
sie sind
closegroß sie -
zweifellos
closegroß
ziemlich
closedoppelbett
ein sie sind
closeallen
der habe ich platz welt
closees, ist
schon tagsüber was?
closeaber
ja, lange noch sicher wie?
closedas ich
jedenfalls kenne tagsüber
closeauf bettkante
die ich mich setze
closees, fehlt
mir nein nichts!
zweiter versuch, von oben bis unten:
closeaber aber ach?
closeallen
auf bettkante
closedas denke
der die doppelbett
closedunkel
dunkel ein einige einschlafen es
closees es
es, etwas fehlt gedanken groß?
closegroß,
habe ich!
closeich ich
ich ich
closeich ich
ich
closeich ich -
ich
closeist ist
closeist ja
jedenfalls kann
closekenne
lange manche mehr mich mir
closenein,
nicht nicht nicht nichts?
closenoch
platz, schlafe schon sehr setze?
closesicher
sie sie sind sind
closesuche
tagsüber tagsüber tue während was
closewas,
welt wie ziemlich zweifellos!
okay, schluss. ich mag staubwedel. ich mag alphabetische reihenfolge
und noch einiges mehr.
unmerkliches schulterzucken, zum beispiel.
ein langes schweigen, zum beispiel.
und graue acrylfarbe.
gedichte natürlich auch.
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