Dritte Wahl: "Resolution der Kommunarden" (1996)


In Erwägung, daß wir hungrig bleiben / Wenn wir dulden, daß ihr uns bestehlt / Wollen wir mal feststelln, daß nur Fensterscheiben / Uns vom guten Brote trennen, das uns fehlt / In Erwägung, daß ihr uns dann eben / Mit Gewehren und Kanonen droht / Haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben / Mehr zu fürchten als den Tod. Der Song "Resolution der Kommunarden" ist auf dem 1996 beim Label Amöbenklang erschienenen Album "Nimm Drei" zu finden, der Text wurde von Bertolt Brecht geschrieben und die Musik von Kurt Weill, yeah. Die Punkband Dritte Wahl wurde 1986 von Marko Busch (Vocals), Gunnar Schröder (Guitar), Toralf Bornhöft (Bass) und Jörn Schröder (Drums) in Rostock, damals noch DDR, gegründet. Das Debütalbum "Fasching in Bonn" erschien 1992 bei Amöbenklang, da hatte sich Toralf Bornhöft aber bereits wieder verabschiedet und den Bass spielte nun Sänger Marko Busch. Bei Amöbenklang erschienen noch die Alben "Auge um Auge" 1994 und "Nimm Drei" 1996. Danach gründete die Band ihr eigenes Label Rausch Records, das sie später in Dritte Wahl Records umbenannte, naja, eine Weile gabs beide Labels parallel. Die weiteren Alben der Band erschienen jedenfalls bei Dritte Wahl Records, ausgenommen "Strahlen" 1998 und "Halt mich fest" 2001, die erschienen bei Rausch Records. Das bisher letzte Album der Band, "3D", erschien 2020 bei Dritte Wahl Records. Okay. Dritte Wahl singen hauptsächlich deutsch, 2004 erschien aber auch ein englischsprachige Album, "Tooth For Tooth". Im Jahr 2005 starb der Sänger Marko Busch im Alter von 35 Jahren an Magenkrebs und Gitarrist Gunnar Schröder übernahm den Gesang. Neuer Bassist wurde Stefan Ladwig, der davor in der Hardcore Band Crushing Caspars Gitarre spielte. Das Trio wurde 2015 noch um Holger Hüwe (Keyboards, Guitar) erweitert, der davor in der Münsteraner Punkband Daddy Longleg Schlagzeug gespielt hatte. Gunnar Schröder: Richtig politisch geworden sind wir aber erst nach der Wende. Vorher haben wir uns das gar nicht so richtig getraut, wir waren da ja auch ein bisschen reingeboren. Außerdem war das sowieso schon eine Kamikaze-Aktion, was wir da gemacht haben. Man brauchte ja eine Spielgenehmigung im Osten, musste vor einer Kommission vorspielen und Texte abgeben, und dann kriegte man eine Auftrittsgenehmigung. So was hatten wir natürlich alles nicht. Das führte dann dazu, dass man gar nicht wusste ob man nach einem Konzert nach Hause fährt oder irgendwo erst mal Fragen beantworten muss. Deshalb waren unsere Texte sehr umschrieben, Alltagsgeschichten, auch schon politisch, aber sehr verpackt. Was anderes haben wir uns damals nicht getraut. Bei Dritte Wahl Records erschienen aber nicht nur Tonträger von Dritte Wahl sondern auch von Punkbands wie Die Skeptiker, Daily Terroristen, Der Dicke Polizist oder Farben Lehre. Okay, Dritte Wahl sind schöner Krach, wie mensch ihn manchmal braucht. Habe gerade das Buch "Das schillernde Leben des Nikel Pallat von Ton Steine Scherben bis Adele" gelesen, es wurde von Nikel Pallat gemeinsam mit Christof Dörr geschrieben und von Hollow Skai alias Holger Poscich lektoriert. Das Buch ist 2023 beim Hannibal Verlag erschienen. Nikel Pallat war Manager der Band Ton Steine Scherben. Nikel Pallat: Meine Jahre mit Ton Steine Scherben waren für mich definitiv die spannendste Zeit meines Lebens, das kann ich ohne den Hauch einer Übertreibung sagen. Kein Tag war wie der andere, keiner war auch nur im Geringsten planbar, und wenn man einen Plan gemacht hatte, war der innerhalb kürzester Zeit hinfällig. Rio Reiser alias Ralph Christian Möbius über seine erste Begegnung mit Nikel Pallat: Dieser Mann war gut, seine offene Art, kommunikativ, extrovertiert. Das beeindruckte uns schon sehr. Der Mann war gut. Der Mann war - ! - Steuerberater. Wir verabschiedeten uns unter Bekundung gegenseitigen Respekts. Er versprach, sich baldmöglichst wieder blicken zu lassen. Irgendwas hatte dieser Irre. Aber was? Dieser Nikel Pallat sollte bald unser Manager werden! Berühmt wurde Nikel Pallat, als er bei einer Diskussion im Studio des WDR mit einer Axt versuchte den Studiotisch zu zertrümmern. Nach 12 kräftigen Hieben gab er sein Unterfangen auf, der Tisch ging einfach nicht kaputt, nur einige Gläser, Flaschen und Aschenbecher. Nikel Pallat: Wunderbar war im Nachhinein auch die Reaktion eines Apothekers aus Remscheid. Der rief nach der Sendung beim WDR an uns sagte, dass er so was Tolles noch nie gesehen hätte, und aus diesem Grund würde er für sämtliche Sachschäden, die ich da angerichtet hatte, aufkommen. Mark Chung von den Einstürzenden Neubauten: Nikels Umgang mit der deutschen Fernsehwelt war für uns wegweisend und legendär. Okay, lest dieses äußerst liebenswerte Buch. Das Schlusswort kommt diesmal vom Soziologen Wright Mills: Im Namen des Realismus werden die Menschen total verrückt, und genau das, was sie utopisch nennen, ist die Vorbedingung für den Fortbestand der Menschheit. Utopische Maßnahmen sind Maßnahmen, die uns vor dem Atomtod retten, realistische, gesunde, vernünftige, praktische Schritte sind heute die Aktionen der Verrückten und der Dummköpfe.

05.06.2024