Freiwillige Selbstkontrolle: "Otto Hahn in Stahlgewittern" (1981)


Punk, yeah. Freiwillige Selbstkontrolle wurde 1980 von Michaela Melián (Bass, Vocals), Thomas Meinecke (Keyboards, Drum-Machine, Tape, Vocals), Justin Hoffman (Guitar, Keyboards, Vocals) und Wilfred Petzi (Guitar, Vocals) in München gegründet. Die 4 gaben seit 1978 gemeinsam die Zeitschrift "Mode und Verzweiflung" heraus. Die Band unterschrieb bei ZickZack Records und 1980 erschien ihre erste EP "Herz aus Stein". Irgendwie ist das natürlich Neue Deutsche Welle, obwohl jetzt weder besonders neu noch deutsch, jedoch hörenswert. Im Jahr 1981 erschien die EP "Teilnehmende Beobachtung" und das Debütalbum "Stürmer", auf dem auch der Song "Otto Hahn in Stahlgewittern" zu finden ist, es wurde 2011 beim Label A-Musik als LP neu aufgelegt. ZickZack und Freiwillige Selbstkontrolle blieben sich bis Ende der 80er Jahre treu, das letzte Album für ZickZack war "Original Gasman Band" 1989, da hatte die Band ihren Namen bereits auf F.S.K. gekürzt. Die nächsten Alben erschienen dann bei Sub-Up-Records, von "Son Of Kraut" 1991 bis "X" 2000. Der Sound der Band hatte sich inzwischen Richtung House, Techno, sagen wir Electronica geändert und Thomas Meinecke hatte inzwischen ein paar umjubelte Romane wie "The Church Of John F. Kennedy" 1996 und "Tomboy" 1998 geschrieben. Huch, keine Gehässigkeiten. Freiwillige Selbstkontrolle sind musikalisch total okay, politisch total okay etcetera, aufrichtige Linke, wage ich zu behaupten. Das bisher letzte Album "Akt, eine Treppe hinabsteigend" erschien 2012 bei Buback Records. Stimmt nicht ganz, 2017 erschien beim Label Martin Hossbach noch das Album "Ein Haufen Scheiß und ein zertrümmertes Klavier", aber das ist mehr Kunst-F.S.K. als Pop-F.S.K., egal. Als fünfter Musiker ist seit Mitte der 90er Jahre Carl Oesterhelt (Drums, Percussion) mit dabei. Mein Interesse erweckt F.S.K. nicht mehr so recht, was solls. Michaela Melián hat aber 3 tolle Soloalben beim Label Monika Enterprise veröffentlicht, "Baden-Baden" 2004, "Los Angeles" 2007 und "Monaco" 2013. Bei "Monaco" ist eine tolle Version von David Bowies Song "Scary Monsters" drauf. Michaela Melián spielte alles im Alleingang ein, wow, Vocals, Cello, Guitar, Banjo, Zither, Bass, Glockenspiel, Kalimba, Organ und Synthesizer. Thomas Meinecke und Michaela Melián sind ein Ehepaar, was aber für ihre Musik wahrscheinlich keine Rolle spielt. Oder doch? Thomas Meinecke: Copy and Paste von Texten ist heute sicher Konsens. Was aber nicht bedeutet, dass Einigkeit herrscht. Mir geht es bei den Techniken des uneigentlichen Sprechens nicht nur um technische Fragen, sondern auch um politische. Zentral ist für mich etwa die Frage, wie man dadurch sprachliche Diskriminierung - etwa Sexismus und Rassismus - beenden kann. Die Sprache ist ein Knast. Da gibt es noch viel zu tun. Michaela Melián: Ich bin argwöhnisch gegenüber jeder staatstragenden Metaphorik. Okay, die Romane von Thomas Meinecke find ich nicht so aufregend, was solls, seinen Artikel "Queer Music" in der Nummer 5 der Zeitschrift "Bella Triste" finde ich aber wiederum sehr gut. Michaela Melián schreibt zum Glück keine Romane. "Stürmer" ist ein tolles Album, yeah, sollte Mensch sich zulegen. Auch die 1995 bei ZickZack Records erschienene DoppelCD "F.S.K. bei Alfred - 44 Exitos Populares 1980-1989" finde ich sehr hörenswert, ja, und "Otto Hahn in Stahlgewittern" ist da auch drauf. Hört euch Freiwillige Selbstkontrolle an, sie waren wirklich gut und sind noch immer schwer okay.

08.12.2020