Asmus Tietchens: "Zeebrügge" (1983)


"Zeebrügge" ist ein wunderschönes Stück elektronische Musik, yeah, Asmus Tietchens macht auch Noise und Industrial Music, aber "Zeebrügge" ist einfach wunderschön. Asmus Tietchens wurde 1947 in Hamburg geboren und verliebte sich als Schüler in Musique concrète und elektronische Musik, die er im Nachtprogramm des NDR (Norddeutscher Rundfunk) kennenlernte. Nach der Schule machte er eine Ausbildung zum Reedereikaufmann und Schiffsmakler, versuchte dann ab 1968 aber als Werbetexter sein täglich Brot zu verdienen. Bereits 1965 begann Asmus Tietchens mit Tonbändern zu experimentieren, Loops herzustellen und sie zu Musikcollagen oder Collagenmusik zu verdichten. Im Jahr 1971 schaffte sich Asmus Tietchens seinen ersten Synthesizer an und 1975 war es dann so weit, Asmus Tietchens entschloss sich freier Musiker zu sein. Er wurde Mitglied bei der Band Liliental, von der 1978 bei Brain Records das Album "Liliental" erschien, der erste Tonträger von Asmus Tietchen und der einzige von Liliental. Zur Band gehörten Conny Plank (Vocals, Guitar, Synthesizer), Okko Bekker (Vocals, Synthesizer, Keyboards, Singing Saw, Percussion), Dieter Moebius (Synthesizer, Guitar, Percussion), Asmus Tietchens (Synthesizer, Piano), Hellmut Hattler (Bass) und Johannes Pappert (Flute, Saxophone, Bass, Drums). Bei Egg Records erschien 1980 das erste Soloalbum von Asmus Tietchens, "Nachtstücke (Expressions Et Perspectives Sonores Intemporelles)", ja, und dann gings so richtig los, 1981 veröffentlichte er die Alben "Musik aus der Grauzone" und "Biotop" und 1982 war mit den Alben "Musik im Schatten", "Spät-Europa", "In die Nacht" und "Musik an der Grenze" ein Rekordjahr. Seither gibt es kaum ein Jahr, das keinen neuen Tonträger von Asmus Tietchens für den Gabentisch bereithält. Neben zahlreichen Soloalben, zuletzt "Parergon" 2016 beim Label Stille Andacht, erschienen auch eine Menge Alben, auf denen Asmus Tietchens mit anderen Musiker*innen zusammenarbeitet. Das erste Album dieser Art war "Watching The Burning Bride", das 1988 bei Hamster Records And Tapes erschien, eine Collaboration mit Terry Burrows von der englischen Band The Chrysanthemums. Asmus Tietchens arbeitete und veröffentlichte u.a. mit Musiker*innen wie Merzbow alias Masami Akita, Arcane Device alias David Lee Myers, Vidna Obmana alias Dirk Serries, Xyramat alias Dörte Marth sowie mit den Bands Die Form und PGR (Poison Gas Research). Yeah! Von 1989 bis 2009 lehrte er Klangforschung und Sounddesign an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften und von 2010 bis 2013 Sounddesign an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Bei Gagarin Records erschien 2000 das Album "The Scorpions Studio Outtakes" von der Band Spiders On Phasing, die aus Asmus Tietchen, Felix Knoth und Tim Buhre bestand. Felix Knoth und Tim Buhre bilden gemeinsam das Electronic-Duo Klangkrieg. Seit 2001 betreibt Asmus Tietchens gemeinsam mit Thomas Köner die Band Kontakt der Jünglinge, die zuletzt 2014 beim Label Die Stadt das Album "Makrophonie 1" veröffentlichte. Das Label Die Stadt ist in Bremen ansässig und startete Mitte der 90er Jahre mit Experimental Pop von Bands wie The Hafler Trio, Stereolab, Faust, Foetus oder den Swans. Yeah! Ein anderes Projekt von Asmus Tietchens ist das Zeitzeichenorchester mit den Musiker*innen Achim Stutessen, Hans Tim Cessteu, Mischa Suttense, Sam 'The Cute' Sins, Stu 'Snatch' Seemi und Tussi Schemante. Genaugenommen besteht das Orchester nur aus Asmus Tietchens, alle diese Namen sind Anagramme seines Namens. Der Song "Zeebrügge" ist auf dem 1983 bei Sky Records erschienenen Album "Litia" zu finden, das 2013 beim Label Bureau B als CD wiederveröffentlicht wurde. Asmus Tietchens sagte 2011 in einem Interview über die Hamburger Szene: There is very vivid experimental music scene in Hamburg - whatever 'experimental' means. This term became a little bit poorly defined in the last 20 years. Anyway, yes, I am plugged into the experimental/noise/electronic/microtonal/atonal scene. We have some locations here, Hörbar and Waagenbau to name only two, which gurantee live performances not only of local artists. Next week we have the Big City Orchestra in Hamburg. Okay, das Big City Orchestra ist ebenfalls toll. Hab gerade 2 biografische Bücher gelesen, "Trude Herr - Ein Leben", erschienen 2021 beim Verlag Emons und herausgegeben von Heike Beutel und Anna Barbara Hagin, und "Elisabeth Petzek - Rote Erzherzogin, Spiritistin, Skandalprinzessin" von Michaela Lindinger, erschienen 2021 im Verlag Molden. Trude Herr war Schauspielerin und blieb auch wegen Songs wie "Ich will keine Schokolade" 1960 oder "Morgens bin ich immer müde" 1960 in Erinnerung. Sie stammte aus armen Verhältnissen und strampelte sich mühevoll nach oben. Alle auf der 'Insel' waren in der kommunistischen Partei und als die Väter weg waren, ging es erst recht los mit der Armut. Die Väter waren weg, weil sie großteils von den Nazis verhaftet wurden. Trude Herr wurde in den 60er Jahren in vielen merkwürdigen Filmen als kleine dicke Ulknudel verbraten, naja, irgendwann hatte sie die Nase voll davon und gründete in Köln ein eigenes Theater, sie wollte eine Art modernes Volkstheater schaffen. Doch auch im eigenen Theater konnte sie sich nicht wirklich von der Zuschreibung Ulknudel befreien. Die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte Trude Herr auf den Fidschi-Inseln und in einem kleinen Dorf namens Lauris in Südfrankreich, wo sie 1991 im Alter von 63 Jahren starb. Ich bin die Herr, dein Gott. Ich mochte Trude Herr auf meine Art und versucht mich sogar ernsthaft mit ihren Songs anzufreunden, naja, ist mir nicht so ganz gelungen, aber für Schlagermusik sind sie schwer okay, mit viel angejazzten Orchesterklängen. Egal. Elisabeth Petznek wurde 1883 als Erzherzogin Elisabeth Marie Henriette Stephanie Gisela von Österreich als Tochter des Kronprinzen Rudolf von Österreich und seiner Frau Stephanie von Belgien geboren, Kaiser Franz Josef war sozusagen ihr Großvater. Sie heiratete mit 18 Jahren Fürst Otto zu Windisch-Graetz, von dem sie sich 1924 nach heftigen Auseinandersetzungen um das Sorgerecht für die 4 gemeinsamen Kinder trennte, offiziell wurde die Ehe aber erst 1948 geschieden. Sie begeisterte sich zunehmend für die Idee des Sozialismus. Die Sozialdemokraten allein haben den Frauen mit der Tat geholfen. Die Zukunft gehört dem Sozialismus. Bei einer Wählerversammlung der Sozialdemokraten in Leobersdorf lernte sie 1921 ihren späteren Ehemann, den Lehrer und sozialdemokratischen niederösterreichischen Landtagsabgeordneten Leopold Petznek kennen, denn sie schließlich 1948 heiratete. Leopold Petznek wurde nach der Errichtung der Diktatur durch Engelbert Dollfuß 1934 vorübergehend verhaftet. Im Jahr 1944 wurde er dann von den Nazis ein zweites Mal verhaftet und ins Konzentrationslager Dachau verschleppt. Von dort konnte er erst 1945 zum Ende des NS-Regimes heimkehren. Leopold Petznek starb 1956 im Alter von 75 Jahren und Elisabeth Petznek 1963 im Alter von 79 Jahren. Zuletzt verfasste sie ein Testament, in dem sie auch die SPÖ-regierte Stadt Wien begünstigte. Trude Herr war mir schon lange ein Begriff, von Elisabeth Petznek erfuhr ich erst durch dieses Buch. Beide Bücher sind durchaus lesenswert, yeah.

14.05.2021