Ich möchte dieses Kapitel mit
einem Gedicht von Thomas Gsella beginnen, das mir auf facebook
begegnet ist, nicht einmal, sondern mehrmals, weil es offenbar immer
und immer wieder geteilt wurde.
Die Corona Lehre
Quarantänehäuser
spriessen,
Ärzte, Betten überall,
Forscher forschen, Gelder fliessen –
Politik mit Überschall.
Also hat sie klargestellt:
Wenn sie will, dann kann die Welt.
Also will sie nicht beenden
das Krepieren in den Kriegen
Das verrecken vor den Stränden
Und dass Kinder schreiend liegen
In den Zelten, zitternd. Nass.
Also will sie. Alles das.
Der Autor Thomas Gsella war mir bisher nur namentlich
bekannt, jetzt aber habe ich mich schlau gemacht und festgestellt, dass
er nicht nur im gleichen Jahr geboren ist wie ich, was er und ich sicherlich
noch mit anderen Autorinnen und Autoren gemeinsam haben, sondern, dass
es einige Bücher von ihm in der Städtischen Bücherei
in Wien und bestimmt auch anderswo zu lesen gibt.
Nein, ich darf das Kapitel nicht mit einem so verzweifelten
Gedicht beginnen. Oder doch? Weil es eben so ist wie es ist? Oder, weil
ich nicht will, dass es so ist, wie es ist? Weil dieser Kummer, die
Bitterkeit, dass ich ein Teil dieser Welt bin, von der ich will, dass
sie eine bessere werde, hier so genau benannt wird, dass ich nach Luft
schnappe.
Es ist richtig, nach Luft zu schnappen. Obwohl es die Welt nicht besser
macht.
Also beginne ich das Kapitel mit diesem Gedicht.
Ich fürchte, es könnte noch eine Weile aktuell sein.
Wie übrigens möglicherweise auch das Corona-Virus, das sich,
zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, auch von all den Bemühungen und
dem Einsatz großer Ressourcen nicht wirklich in die Schranken
weisen lässt. Aber vielleicht bald. Denen, die erkrankt sind oder
unter Quarantäne stehen, ist es zu wünschen.
Und, nur zur Sicherheit: Es geht nicht darum, ein Virus mit den humanitären
Katastrophen dieser Erde zu vergleichen, nein, darum geht es nicht.
Es geht darum, wer, wann und warum bereit ist, diese Ressourcen anzuzapfen,
auszuschöpfen und für wen.
Um dem Kummer einen Platz in diesem Kapitel zu geben,
steht an dieser Stelle ein Gedicht von Adrienne Rich. Es heißt
"Zwiebel schälen" und es handelt von Kummer, der sozusagen
keine Tränen findet und trockenen Herzens zurechtkommen muss, jedenfalls
dann, wenn nicht gerade Zwiebeln geschnitten werden.
Peeling Onions
Only to have a grief
equal to all these tears!
There’s not a sob in my chest.
Dry-hearted as Peer Gynt
I pare away, no hero,
merely a cook.
Crying was labour, once
when I’d good cause.
Walking, I felt my eyes like wounds
raw in my head,
so postal-clerks, I thought, must stare.
A dog’s look, a cat’s, burnt to my brain –
yet all that stayed
stuff in my lungs like smog.
These old tears in the chopping-bowl.
Ich möchte aber den beiden Gedichten noch einen
kleinen Auszug aus einem Gedicht von Tomas Espedal zur Seite stellen.
Es stammt aus seinem Buch "Das Jahr", einem langen Gedicht,
das ein ganzes Jahr zusammenfasst, sprachlich und gedanklich, es handelt
von einer gemeinsamen Reise, von der Dunkelheit und der Schönheit.
Und es stimmt einen tröstlichen, hoffnungsvollen Ton an das Ende
des Kapitels.
(…)
und ich hoffe wir werden eines Tages gezwungen
die Schönheit in einem fremden Menschen zu sehen
und dass was wir Heimatland nennen
überströmt wird von Fremdheit
um ein besseres Land zu werden
(…)
Übrigens, diese Schlussbemerkung kann ich mir nicht verkneifen,
denn ich weiß, dass auch mein Gefährte Fritz Widhalm diese
Zeilen lesen wird: Tomas Estebal, Jahrgang 1961, spricht in diesem,
mir vorliegenden Buch von seinem Plan, ein letztes Buch zu schreiben,
dem er den Titel: "Das letzte Buch" geben würde. Mein
Gefährte nämlich, Fritz Widhalm, hat im Alter von 60 Jahren
ebenfalls ein letztes Buch geschrieben, gewissermaßen SEIN letztes
Buch und hat diesem Buch den Namen "Heute. Ein letztes Buch"
gegeben, was bedeutet, dass er ab nun nur in Kooperationen, nicht aber
als Autor eines eigene Buches in Erscheinung treten wird. Das wird Tomas
Espedal aber nicht erfahren, weil es höchst unwahrscheinlich ist,
dass das Buch "Heute. Ein letztes Buch" meines Gefährten
Fritz Widhalm jemals ins Norwegische übersetzt wird und dort dem
Schriftsteller Tomas Espedal in die Hände fallen wird. Der Schriftsteller
Tomas Espedal hat jedenfalls inzwischen ein anderes Buch geschrieben,
das den Titel "Die Liebe" trägt und bisher nicht ins
Deutsche übersetzt ist, weswegen wir, mein Gefährte Fritz
Widhalm und ich, die Schriftstellerin Ilse Kilic auch nicht erfahren
werden, was drin steht, jedenfalls nicht jetzt, vielleicht aber später,
wenn es, vielleicht, ins Deutsche übersetzt werden wird.