Kapitel 79: Die Geschichte, die Gegenwart, der Kreis und: Hold on |
Ich beginne mit einem Gedicht von Ursula Le Guin. Es handelt von der Gegenwart, in der die Geschichten wohnen können. Die Gegenwart braucht viele Geschichten. Die Geschichte, die gemacht wird, ist zuwenig. Und zuviel. Infinitive We make to much history. With or without
us But what we need
to be To be we need
to know the river Das Gedicht von Ursula Le Guin stammt aus dem Gedichtband "Sixty Odd. New Poems", Boston 1999. Ich zitiere es aber hier aus dem Buch "Am Anfang war der Beutel". Dieses Buch ist 2020 erschienen und handelt (unter anderem) davon, dass Tragetasche oder Beutel die wichtigste Erfindung der Menschen auf ihrem so genannten evolutionären Weg waren. Also es musste nicht unbedingt wortwörtlich eine Tragetasche gewesen sein, aber ein Behältnis, in dem man etwas sammeln kann. Etwas "zusammenfassen" kann. Eine Geschichte, vielleicht. Viele Geschichten, vielleicht, viele Zusammenfassungen. Zusammenfassen, erfassen, zusammenhalten, festhalten. Hold on, also, mit Zuversicht. Die deutsche Übersetzung des Gedichtes stammt ebenfalls aus dem genannten Buch: Unumgrenzt Wir machen zu viel Geschichte. Mit oder ohne
uns Was es aber gilt,
zu sein, Zu sein, heißt,
zu wissen, dass der Fluss Die Übersetzung und die englische Originalfassung des zitierten Gedichtes sind - wie so oft - nicht ganz vergleichbar, es lohnt sich also, beide zu lesen. Ich stelle diesem Gedicht eines von Marie von Ebner-Eschenbach an die Seite. Es spricht und klingt aus ganz anderen Räumen (und Träumen). Es erzählt eine ganz andere Geschichte und es hat ganz andere Sorgen und einen ganz anderen kritischen Unterton: Der Ozean ist nicht der Freund dieses Schiffes und die Gegenwart kennt die Zukunft erst, wenn sie da ist, also keine Zukunft mehr ist, sondern Gegenwart, beziehungsweise "Fastvergangenheit". Das eilende Schiff,
es kommt durch die Wogen Voll Jubel ertönt's
vom Mast und vom Kiele: Der Fährmann
am Steuer spricht traurig und leise: Das Gedicht von Marie von Ebner-Eschenbach habe
ich dem Gedichtband "Frauen | Lyrik" entnommen, der 2020 im
reclam Verlag erschienen ist. Wenn ich dieses Gedicht lese, muss ich
an einen Satz des Schriftstellers Helmut Schranz denken, er lautet: Zum Abschluss ein Vierzeiler von Wilhelm Busch. In gewisser Weise zieht er einen Kreis, nicht ganz perfekt allerdings, da er nicht mehr "wirklich" an den Anfang zurückführt, ein nicht perfekter Kreis also, der Anlass zur Hoffnung gibt: Wir können nicht alles wissen, nicht alle Kreise kennen, nicht alle Gegenwarten festhalten. Hold on also, mit Zuversicht. Ich wiederhole mich. Das Gedicht von Wilhelm Busch stammt aus dem Gedichtband "Jünger werden mit den Jahren", den Dieter Hildebrandt herausgegeben hat. So ist nun mal die Zeit allhie |