Kapitel 1: Gedichte sind absonderlich und süß |
Dieser Satz stammt nicht von mir. Er stammt von Fritz Widhalm, und er gefällt mir. Warum gefällt es mir, dass Gedichte als absonderlich und süß bezeichnet werden? Weil ich viele Gedichte kenne, die absonderlich und süß sind. Absonderlich verstehe ich in diesem Falle als Kompliment, im Sinne von ungewöhnlich und merkwürdig: also des (Be-)Merkens würdig. Nicht unbedingt des Auswendiglernens würdig, obwohl das Auswendiglernen bekanntlich ein "learning by heart" ist. Und, naja, viele Gedichte schwirren in meinem Kopf herum, ich kann sie also ein bisschen auswendig, manche sind Liedtexte, manche sind Abzählreime, manche sind Sinnsprüche, zum Beispiel hat mir meine Tante das Folgende ins Stammbuch geschrieben: O Menschenherz, was ist
dein Glück? Ich erinnere mich an ihre schwungvolle Handschrift
und daran, dass sie immer mit blauer Tinte schrieb. Sie gab keinen Autor
und keine Autorin an, was sich eigentlich nicht gehört, andererseits
von mir damals nicht besonders bemerkt wurde. Wahrscheinlich dachte
ich anfangs sogar, der Vers stamme von ihr selbst. Ich weiß nicht,
wann mir die Urheberschaft von Nikolaus Lenau (1802-1850) bekannt wurde.
Jetzt, wo ich das niederschreibe, glaube ich mich zu erinnern, dass
ich in Stockerau ein Denkmal von Nikolaus Lenau gesehen habe, ja und
wirklich: Stockerau nennt sich "Lenau-Stadt" und, ich zitiere:
Wenngleich Lenau sich in Stockerau nur in
seiner Jugend von 1818 bis 1821, hauptsächlich in den Ferien und
bei seinen Großeltern - sein Großvater war Oberst und Kommandant
der k.u.k. Militär-Monturs-Kommission in Stockerau - aufhielt,
so wurde die Stadt Stockerau, die sich auch "Lenau-Stadt"
nennt, dennoch durch die Gründung der "Internationalen Lenau-Gesellschaft"
(1964) und die Eröffnung des "Internationalen Lenau-Archives"
(1968) zu einem Zentrum der Lenau-Forschung. |