Ich  beginne mit einem stacheligen Glücksbild. Das sanftmütige Hündchen   staunt, dass der Kaktus als Glück auftritt. Aber:  Warum eigentlich nicht? Sonnige Tage kennt er sehr gut.
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        Meine Freundin, die Dichterin Bess  Dreyer, die viele Kilometer entfernt von mir lebt, hat mir ein  Gedicht von Martin Dragosits gesendet, das sie im Internet gefunden  hat. Ich musste schmunzeln, in wie vielen Gestalten mir das Glück  nun schon begegnet. Ein kleines Luder mit schlechten Zähnen war  bislang aber noch nicht dabei. Der seltsame Begriff Luder bezeichnet  nicht nur etwas Abgenütztes und Unbrauchbares usw., sondern auch  einen Lockköder, also könnte das Glück sich selber anlocken oder  mich, auf dass ich es entdecke. Wie ein Osterei.
        Vielleicht bin ich aber auch selbst  mein Glück und ein kleines Luder, das luderlich, also auch  unverlässlich ist? Wer weiß, vielleicht ist es so. Sonnenflecken  kann ich jedenfalls präsentieren und auch meine Zähne sind nicht  die besten. Bess Dreyer schrieb als Kommentar zu dem gefundenen  Gedicht, alle Sonnenflecken könnten Glücksflecken sein. 
        Na  dann! Hier das Gedicht von Martin Dragosits:
        Das  Glück ist ein kleines Luder          
          aus der hintersten Reihe 
          Es  hat schlechte Zähne
          
        und Sonnenflecken im Gesicht 
        Form  und Funktion sind 
            
          unabhängig 
          
          Das Glück hat keine Hypotheken
Es lebt im Jetzt
        Jetzt,  also gerade in diesem Augenblick, fällt  mir der wunderschöne Titel ein, unter den Erwin Uhrmann seine  Rezension über den Verwicklungsroman gestellt hat, den ich, Ilse  Kilic, gemeinsam mit Fritz Widhalm schreibe. 
        Erwin  Uhrmann nannte seine Rezension: 
        "Das  Glück hat viele Verstecke im Leben."
        Will  jemand nachlesen? Hier wäre der Link:  https://www.diepresse.com/19521666/das-glueck-hat-viele-verstecke-im-leben.
        Danke,  ja, so ist es wohl. 
        Wenn  ich mein eigenes Glück bin, wäre es gut, mich zu finden. Oder mich  zu erfinden. Mich abzufinden? Nein das weniger, obwohl auch das  manchmal not tut. Mich zu suchen, zu besuchen oder zu versuchen?  Warum nicht! Oder ganz einfach die Verstecke des Glücks zu erkennen  und zu pflegen.
        Die  belarussische Schriftstellerin Volha  Hapeyeva hat ein Gedicht darüber geschrieben, wie wir vergessen zu  atmen und durch die Tage rasen, während wir der Welt, dem Leben und  der Traurigkeit gegenübertreten und ergrauen, grau werden,  vielleicht dabei auch dem Grauen begegnen. Als ich das Gedicht las,  empfand ich Trauer, dass ich womöglich ans Atmen erinnert werden  muss, dass ich den Tag, der mich um meine Aufmerksamkeit bittet,  zuwenig ins Herz schließe. Ich atme ein paar Mal tief ein und aus.
        Hier  das Gedicht von Volha Hapeyeva, es steht im Buch "Trapezherz", das  bei Droschl erschienen ist. 
        oft  vergessen wir zu atmen  
        wir  wachen auf und rasen sofort in gedanken  
        durch  den gestrigen tag oder den von morgen  
        dieser  tag bittet dich wie ein kleines kind  
        bei  ihm zu bleiben  
        aber  es gibt noch berichte zu erledigen  
        aufführungen  
        eröffnungen  
        umzüge  
        die  zellen der traurigkeit mehren sich  
        neid  wächst wie unkraut  
        und  die stachligen kugeln des grolls  
        reisen  uns als distel nach  
        der  tag hat zeit zu ergrauen  
        und  wir haben es nicht einmal bemerkt  
        genauso  wenig, wie dass wir 
        aufhörten  zu atmen
        Nachsatz:  100 Kapitel habe ich über Gedichte geschrieben, aber ich habe noch  nicht genug! Es wird also weitergehen, logischerweise mit dem kapitel  101. Ich werde es mit einem Gedicht über Gedichte beginnen, ja, das  gibt es. 
        Seien  wir neugierig, absonderlich und süß wie ein Gedicht!