Roque Dalton
ÜBER KOPFSCHMERZEN
Es ist schön Kommunist
zu sein,
obwohl es viel Kopfschmerzen verursacht.
Und es ist so: das Kopfweh der Kommunisten
versteht sich historisch, das heißt
es geht nicht mit Schmerztabletten weg
sondern allein mit der Verwirklichung des Paradieses auf Erden.
So ist das.
Unter dem Kapitalismus tut uns der Kopf weh
und sie reißen uns den Kopf ab.
Im Kampf für die Revolution ist der Kopf
eine Bombe mit Zeitzünder.
Beim Aufbau des Sozialismus
planen wir das Kopfweh mit ein
und es wird nicht knapp bemessen, ganz im Gegenteil.
Der Kommunismus wird sein (unter anderem)
ein Aspirin von der Größe der Sonne.
Das Gedicht von Roque Dalton (1935-1975, El Salvador) entnahm
ich dem Band "TERZ. 30 Jahre Stroemfeld Roter Stern (1970-2000)".
Tina Leisch hat über Roque Dalton und sein bewegtes Leben den sehenswerten
Dokumentarfilm "Erschießen wir die Nacht" gedreht.
Das Gedicht bringt mich zum Lächeln und macht
mich traurig. Es ist ein Zeitdokument und zugleich mehr, viel mehr als
das. Ja, auch ein Dokument der Hoffnung.
Ja man konnte hoffen und man hoffte. Auch Roque Dalton hoffte und gab
dieser Hoffnung Ausdruck.
Aber was geschieht mit der Hoffnung? Wohin wendet
sie sich? Was meinen wir, wenn wir vom Kommunismus oder vom Sozialismus
sprechen? Es gibt vieles, das gemeint ist, gemeint sein kann, gemeint
sein muss. Hm. Naja.
Andererseits ist es schwer, einander "Aspirin" zu sein. Aspirin,
eigentlich ein Markenname, eigentlich: Acetylsalicylsäure, wird
als Schmerzmittel eingesetzt. Zusätzlich wirkt es ab einer gewissen
Dosis fiebersenkend und hat bereits in sehr kleinen Mengen Auswirkungen
auf die Blutgerinnung, indem es die Klebrigkeit der Blutplättchen
verringert. Gut gut. Bei der Formulierung "Aspirin von der Größe
der Sonne" hat Roque Dalton ziemlich sicher an die schmerzstillende
Wirkung gedacht und beim Kopfweh, das den Aufbau des Sozialismus begleitet,
dachte er wohl an die Schwierigkeit, den verschiedenen Vorstellungen,
Ideen, Fähigkeiten und Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Ja,
es ist alles sehr sehr kompliziert, könnte man an dieser Stelle
ausrufen und: Oh lasst nicht alle Hoffnung fahren!
Ich glaube, an den Schluss dieses Kapitel setze
ich ein Zitat von Alexander Herzen (1812-1870).
Ich habe das Zitat dem Buch von Adriano Sofri mit dem Titel "Der
Knoten und der Nagel.", Frankfurt 1998, entnommen. Am Volksstimmefest
stieß ich heuer auf ein Buch mit dem Titel "Romantiker der
Revolution", geschrieben von E.H. Carr, worin einiges über
Alexander Herzen und seine Schriften sowie über sein Leben zu finden
ist.
Das Zitat lautet folgendermaßen:
"Stolz müssen wir darauf sein, dass
wir nicht Nadel und Faden sind in den Händen des Fatums, das am
bunten Teppich der Geschichte näht ... "
Oh lasst nicht alle Hoffnung fahren!