Kapitel 18: Kratzen und Reimen


Katzen sind beliebt. Nicht nur Katzenbilder, kleine Katzenfilme und die Katze im Allgemeinen und im Besonderen, es gibt auch viele Katzengedichte. Das folgende Katzengedicht ist eigentlich ein Kinderreim und stammt aus dem Buch "Allerleirauh". Kinderreime sind eine Form von Lyrik, die wohl den meisten von uns vertraut ist oder zumindest war. An diese- oft spielerische - Vertrautheit denke ich, wenn jemand sagt, dass er oder sie mit Gedichten nichts anfangen kann: Sie scheint gelegentlich auf dem Weg ins Erwachsenenalter verlorenzugehen.

A b c
die Katze lief im Schnee.
Als sie wieder raus kam
hat sie weiße Stiefel an.
Da ging der Schnee hinweg
da lief die Katz im Dreck.

An dieser Stelle fällt mir der Song "Lesson for Baby" der Schweizer Band "Meliohnen" ein. Meliohnen ist ein Projekt von Stella Brunner und Ilia Vasella. Beide Musikerinnen sind seit Beginn der 80er Jahre in Bands und Musikprojekten engagiert. Der Song "Lesson for Baby" spielt mit dem Lernen von Worten und Bedeutungen: "What is?" Ja, vermutlich kann Musik und Lyrik uns von Anfang an, also schon in der Baby- und Kinderzeit, helfen, die Welt ein bisschen besser zu verstehen. "I wonder!", ja, Erstaunen und Neugier gibt es. Und das Erschrecken, ja! das Erschrecken gibt es auch und die Angst gibt es und den Trost gibt es und so viel mehr.

Wir treten auf die Kette,
daß die Kette klingt.
Wir haben einen Vogel,
der so lieblich singt.
Singt sogar
wie ein Star,
hat gesungen sieben Jahr.

Und dann? Was war denn mit dem Vogel nach sieben Jahren? Ja, dazu zwei Zeilen aus einem Gedicht von Robert Gernhardt, ich weiß, eigentlich gehört es sich nicht, nur zwei Zeilen aus einem Gedicht herauszureißen, aber diesmal kann ichs nicht lassen:

Wer Schönes anschaut, spürt die Zeit,
und Zeit meint stets: Bald ists so weit.

Jetzt wollte ich abschließend eigentlich ein Katzengedicht zitieren, eines, bei dem den Lesern und Leserinnen, allen voran mir, warm ums Herz wird. Ja, Gedichte wärmen zuweilen das Herz. Natürlich denke ich beim Wort Katze sofort an Rolf Schwendter und sein Buch "Katertotenlieder". Ich habe mich lange gegen die eigentlich offensichtliche Tatsache gewehrt, dass dieses Buch Totenlieder eines Katers beinhaltet. Ich kann mir heute gar nicht vorstellen, wie ich das Wort Katertotenlieder inhaltlich nicht wahrnehmen konnte. Da steht irgendwas mit Kathode, dachte ich, aber ich schaute kein zweites Mal hin. Als ich Rolf Schwendter erzählte, dass sich irgendetwas in mir der Bedeutung des Wortes Katertotenlieder verweigerte, sagte er: "Ich würde auch lieber nie etwas von toten Katern gehört haben."

Ja und natürlich denke ich, wenn ich von Katzen schreibe, an Kathi Wagner und ein Gedicht, das sie für ihren Kater geschrieben hat. Es geht so:

wie elegant und kraftvoll
er heiter in mein leben
springt

mein herz ist von seinem schnurren
umgeben
er öffnet es mit dem sanften tapp seiner pfote

wie sein warmes fell
die nackte kühle meiner schulter
lindert

aus meiner hand frisst er
die freude und fängt sich
ein streicheln

er bringt den morgen zum tanzen
verwandelt den tag
in ein festival

wie ein augenzwinkern für die ewigkeit
das ist bedeutung
genug

Abschließend zitiere ich aus Rolf Schwendters Katertotenliedern:

Angenommen, es gäbe einen Himmel,
machte ich mich schnurstracks in die
Katzenabteilung auf,
rollte mich in ein Knäuel millionenfacher
Katzenfelle,
ins Graulen, Schnurren, Miauen
wohl ein Jahrzehnt.

Rolf Schwendters Katertotenlieder sind 1987 in der Edition Freibord erschienen, das Gedicht von Kathi Wagner befindet sich in: Ilse Kilic "Buch über Viel", Ritter Verlag 2011.