Kapitel 20: TICK


WIE IMMER

Die Lampe ist noch da,
der Tisch ist auch noch da,
und ich bin noch im Zimmer,
und meine Sehnsucht, ah,
seufzt noch immer.

Feigheit, bist du noch da?
Und, Lüge, auch du?
Ich hör ein dunkles Ja,
das Unglück ist noch da,
und ich bin noch im Zimmer
wie immer.

Dieses Gedicht von Robert Walser fand ich in einem Buch mit dem Titel "Ich weiß, wo ich bin" von Andrea Winkler. Als Quelle ist darin der Dreizehnte Band von "Sämtliche Werke in Einzelausgaben" angegeben.

Ich lag im Hallenbad in einem Liegestuhl und dachte an das Gedicht und an das Zimmer, in dem einiges "WIE IMMER" ist. Was übrigens auch für das Hallenbad gilt und das ganze Leben. Vielleicht ist ja das Leben so eine Art Zimmer. Oder eine Schwimmhalle? Nein, eine Schwimmhalle hat eine irgendwie heitere Ausstrahlung, auch wenn mir aufgefallen ist, dass viele Menschen nicht heiter sind, sondern sich vom Schwimmen Heiterkeit erhoffen. (Was wiederum für viele Tätigkeiten gilt, unter anderem auch für das Leben selbst). Das Schwimmbad, in dem ich geschwommen bin, hat eine Galerie, dort sind die Umkleiden, es gibt Liegestühle und ich konnte über ein Geländer nach unten in das Schwimmbecken schauen. Dort taten die Menschen das, weswegen sie vermutlich in die Schwimmhalle gegangen sind: Sie schwammen auf und ab. Und auf und ab und aufundab.
Ich schaute ihnen zu.
Ja, ich schaute ihnen zu und dachte über das Leben nach.

Tickt. Tickt. Tickt.
Tickt.

Tickt.
Leichte Gewichte, langsam.
Slow, Motion.
Kaninchen und Aug und Schlange
Blendung mit der Zeit Lupe

Diese Zeilen sind ein Ausschnitt aus einem Gedicht von Magdalena Knapp-Menzel. Das ganze Gedicht steht im Buch "Durchwachte Nacht. Gedankenstrich", in dem Magdalena Knapp-Menzel und Christine Huber zwei Dichterinnen, Annette Droste-Hülshof und Emily Dickinson, in einen fiktiven lyrischen Dialog treten lassen.

Sagt das Leben Tick?
Oder sind wir es, die "tick" sagen?
Tick tick tick?
Ist es der Himmelhund? Tritt dieser als Zeitmesser auf? Hier eine Zeichnung des Himmelhundes (vielleicht ist es ja ein Höllenhund?) Die Zeichnung hat Magdalena Knapp-Menzel im Jahr 2002 für unser kleines Büchlein "Himmelhunde oder London im Mai" gemacht.