Kapitel 24: Regen und Licht


WIR SIND IN DIE ERDE GEPFLANZT
Von beiden Seiten
Der Regen trägt uns ab
Aus der Wurzel schlägt
Ein gelber Steckling, ihn
Trifft die Sonne nicht mehr.

Dieses Gedicht stammt von Inge Müller, nämlich aus ihrem Buch "Irgendwo, noch einmal möcht ich sehn".
Dieses und weitere Gedichte sowie deren Übersetzung in das Italienische sind im Netz zu finden auf: http://www.anteremedizioni.it/files/Poesia_Inge_Muller.pdf

Was könnte ich diesem Gedicht antworten? Hm, will dieses Gedicht überhaupt eine Antwort?
Ich weiß es nicht.
Ich glaube, Gedichte brauchen keine Antwort, sie sind einfach da. Das ist gut so, denn das "Einfach Da Sein" können wir von den Gedichten vielleicht lernen. Ein bisschen "Einfach Da Sein" würde auch uns, den Leserinnen und Lesern, den Menschen ganz allgemein, nicht schaden.
Ich würde also sagen: Gedichte brauchen keine Antwort, aber vielleicht freut sich das eine oder andere Gedicht, wenn es eine Antwort bekommt, das könnte sein. Denn eine Antwort kann einem Gedicht Gesellschaft leisten und zur Seite stehen, ganz so, wie wir Menschen es auch können, gewissermaßen manchmal.

Ich denke jetzt an einen Satz von Derek Jarman, ja ich glaube, er kann hier stehen, er ist eine kleine Antwort, vielleicht ist er auch ein Gedicht?

Zeit ist, was das Licht daran hindert, uns zu erreichen.

Und dann fällt mir ein Gedicht ein, das zwar nicht von der Sonne handelt, aber vom Licht, und, ja es handelt auch von der Zeit, in der das Licht unterwegs ist, aber es klingt heiter. Nicht nur heiter, aber auch:

STERN
Jahrelang reiste
eilig das Licht dieses Sterns.
Jetzt triffts bei mir ein.

Josef Guggenmos, aus "Dunkel war's, der Mond schien helle. Verse, Reime und Gedichte", gesammelt von Edmund Jacoby.

Ja, Gedichte können ganz verschiedene Töne und Untertöne ihr eigen nennen und doch - oder gerade so! - können sie miteinander eine Beziehung herstellen. Oder bins ich, die Leserin, Schreiberin, die die Beziehung herstellt? Allein bin ich jedenfalls dabei nicht!

Über die Zeit habe ich schon in Kapitel 17 geschrieben, kann man nachlesen! Untrennbar mit der Zeit verbunden ist das eigene Leben, das nicht zum Stillstand kommt, oder sagen wir so: Wenn es zum Stillstand kommt heißt es nicht mehr "Das Leben".
Bumm Bumm. Solange das Herz klopft, sterbe ich nicht!
Der Zeit und dem eigenen Leben in der Zeit widme ich das folgende, eigene Gedicht:

Ich suche nicht des Lebens Sinn
weil ich dieser selber bin.