Kapitel 25: Süß |
Ich überlege gerade, wieso ich
(Fritz Widhalm zitierend) schrieb, dass Gedichte absonderlich und süß
sind. Absonderlich, ja, ich bin auf das Wort eingegangen, habe ausgeleuchtet,
warum es mir passend erscheint, warum es mir sogar sympathisch ist.
Aber warum süß? Kann es im Sinne eines Gedichtes sein, dass
(zum Beispiel) ich es "süß" finde? Süß,
ich muss lächeln, süß kann viel bedeuten, ja natürlich,
eine Grundqualität des Geschmacks, soweit, so gut. Schokolade ist
süß. Im Buch "Metaphysik der Röhren" vom Amélie
Nothomb ist der süße Geschmack von Schokolade gleichsam eine
Art Erweckung: das Kind wird solcherart davon überzeugt, dass das
Leben lebenswert ist. Vom süßen Leben habe ich in meinem Buch "Das Wort als schöne Kunst betrachtet" berichtet. Am Anfang war es ein natürliches Produkt der Runkelrübchen, allerdings gab es schon bald den Wunsch, es in Tablettenform herzustellen, ein Patent anzumelden und es auf den Markt zu bringen, natürlich nur für jene, die es sich leisten konnten. Diese hatten danach ständig den Mund voll süßem Leben, die anderen nahmen den Mund voller Worte und versuchten, die Welt zu verändern. Haha. Die Süße von Gedichten liegt aber auch darin, dass sie gewissermaßen blitzartig etwas zum Vorschein bringen, nämlich zum Beispiel die Tatsache, dass all das Streben nach Süße, nach so genanntem Glück usw. eine riesengroße Werbemaschinerie ist, die uns versucht, mit dem Leben und seinen Unbillen zu versöhnen. Beständig und halbherzig versöhnen wir uns, einverstanden sind wir deswegen nicht. Noch lange nicht! ich beginne den missglückten
tag Ja, Gedichte sind absonderlich und süß.
Sie sind zugleich allerdings ganz normal, sauer und scharf. Sie sind
heiter und bitter und natürlich: |