Man kann über sie sagen was man
will, aber sie ist beängstigend. In fast jeder Hinsicht. Das spricht
natürlich nicht gegen Gedichte. Allerdings kann es vorkommen, dass
Worte im Mund steckenbleiben, nein, sie stecken im Hals und wollen sich
Luft verschaffen.
Ich erinnere mich an eine Lesung, es ist viele viele Jahre her, ich
glaube, es war ein AutorInnenprojekt der Alten Schmiede, organisiert
von Rolf Schwendter, also ich glaube mich in diesem Zusammenhang an
eine Lesung des Schriftstellers Hadayatullah Hübsch zu erinnern.
Genauer gesagt, ich erinnere mich an den Beginn seiner Lesung, er stand
da und intonierte in den verschiedensten Tonlagen den einen Satz:
Was sollen wir mit diesem
Land machen.
Was sollen wir mit diesem Land machen
Was sollen wir mit diesem Land machen
Was sollen wir mit diesem Land machen
Was sollen wir mit diesem Land machen
(da capo al fine)
Ja, dieser eine Satz in den verschiedenen Tonlagen
gesprochen, gesungen, geschrien ergab das Gedicht. Es war ein politisches
Gedicht, das mir zu Herzen ging. Man könnte es vermutlich in jedem
Land der Welt sprechen, singen und schreien. In manchen Ländern
aber besonders.
Was ist ein politisches Gedicht? Ich würde
eigentlich sagen, dass jedes Gedicht ein politisches Gedicht ist. Manche
sind es aber besonders. Politik ist ja das ganze Leben, wobei das ganze
Leben mehr umfasst als Politik, Politik aber sollte nicht weniger sein
als das ganze Leben.
Als Kind verstand ich nicht ganz, warum meine Eltern
am Mittagstisch heftig über Politik stritten. Nein, es war so:
Die Auswirkungen der Politik auf das alltägliche Leben verstand
ich nicht ganz. Würde es nicht "immer" einen Kinderspielplatz
geben für mich, eine Schule und ein Jausenbrot? Meine Mutter sagte,
nein, nichts sei selbstverständlich. Mein Vater sagte, dass er
mir wünscht, dass es das immer für mich geben wird. Nunja.
Möge es doch alles für alle geben!
Und das politische Gedicht,
es tritt und immer noch einmal
und immer noch einmal
als Wunschmaschine auf:
Was sind eigentlich Wunschmaschinen?
Deleuze und Guattari entwarfen das Konzept der Wunschmaschine, eines
Unbewussten, dem ein subversives Potential eingeschrieben ist. Hm. Ich
glaube nicht, dass ein Gedicht genau genommen eine Wunschmaschine sein
kann oder will. Andererseits kann alles und - wir alle - Teil der Wunschmaschine
sein, ob wir wollen oder nicht.
Gibt es wirklich Wunschmaschinen und muss man sich
vor den Wunschmaschinen fürchten?
Man weiß nur, dass es sie gibt, wenn man an sie glaubt. Furcht
ist vielleicht nicht das richtige Wort. Umsicht und Vorsicht ist allerdings
nicht verkehrt, wie immer, wenn es darum geht, sein Herz an etwas zu
hängen.
Gibt es eine Maschine zur Verbesserung der Welt?
Ich habe vor vielen Jahren einen Entwurf anlässlich einer Ausstellung
in Zürich gesehen. Er war Teil einer Ausstellung von Ramon Haze.
2013 war im Museum "Hamburger Bahnhof" in Berlin ein zehn
Meter hohes, pyramidenförmiges Modell einer Weltverbesserungsmaschine
zu sehen. Nunja: Die Weltverbesserungsmaschine wurde niemals realisiert.
In meinem Buch "Vom Umgang mit den Personen", das sich dem
Chagrinismus und der Präsenz einfacher Maschinen wie der schiefen
Ebene widmet, beeinflusst ihre Möglichkeit die Gedanken der Hauptperson
zur Kummerforschung. Ja, auch Erfindungen, die es in der real existierenden
Wirklichkeit nicht weit gebracht haben, können in dieser Wirklichkeit
wirksam werden.