Kapitel 35: Gedichte, die das Leben schreiben. |
Dieser Titel ist irreführend. Denn Gedichte schreiben kein Leben. Genau genommen kann man das Leben nicht schreiben, nicht einmal, wenn man ein Gedicht ist. Kann man das Leben aufschreiben? Vielleicht ein bisschen. Kann man das Leben abschreiben? Naja, eigentlich nicht, in keiner der beiden Bedeutungen, aber man kann im Leben "ab-und-zu-schreiben", in vielerlei Bedeutung. Beschreiben geht natürlich auch, aber nicht wirklich. Im Buch "Helm aus Phlox" (Merve Verlag), geschrieben von Ann Cotten, Daniel Falb, Hendrik Jackson, Steffen Popp und Monika Rinck findet sich folgende Frage: "Was können Gedichte dem Leben bieten?" Ein, zwei, drei mögliche Antworten werden in den Raum gestellt: "Zeigen, wie Sinn konstruiert wird (das wäre ihr kritischer Beitrag) und, darüber hinaus, wie aus Subjekt-Perspektive Einsicht, Offenheit gewonnen werden kann. Das gute Gedicht zeigt gerade auch, wie wenig Texte bedeuten; das ist seine Großzügigkeit, seine Freiheit." Und ich sage: Ja, Gedichte sind absonderlich und süß. Großzügig sind sie auch. Hilflos, manchmal, auch das. Und sie sind starrsinnig. Das gefällt mir. An dieser Stelle einen Auszug aus einem Gedicht von Junki Wehrmann. Es stammt aus der allerersten Wohnzimmeranthologie, die glücklicherweise endlich - endlich, nach starrsinnigen 27 Jahren - vergriffen ist, dh. wir haben tausend Exemplare unter die lesenden Menschen gebracht. Juhu! So zirka tausend Menschen hatten also die Gelegenheit das folgende Gedicht zu lesen, bisher. Nein, ein Buch habe ich ausgesetzt, via bookcrossing, wer weiß, bei wie vielen Menschen es Unterschlupf fand! (Übrigens: bookcrossing ist eine weltweite Bewegung zur kostenlosen Weitergabe von Büchern an in der Regel unbekannte Personen. Man könnte den Weg eines Buches verfolgen, wenn sich alle, die es in die Hände bekommen, eintragen. Ich hab nicht nachgeschaut, welchen Weg das Buch, das ich freigesetzt habe, nahm). Hier nun das Gedicht von Junki Wehrmann: Diebestimmen Dem ist fast nichts hinzuzufügen. |