Kapitel 39: Alles ist eitel. Ich auch.


Ich habe gerade ein Buch über den Tod gelesen. Darin fand sich nicht nur ein Hinweis auf die sieben Todsünden, zu denen die Eitelkeit gehört, sondern auch ein Hinweis auf ein Gedicht von Andreas Gryphius (Das Buch hieß: "Das Allerletzte", geschrieben wurde es von Marc Ritter und Tom Ising). Hier geht es um die doppelte Bedeutung des Wortes Eitelkeit, auf die ja der Titel dieses Kapitels anspielt:

Alles ist eitel.
Ich auch.

(Das könnte schon ein kleines Gedicht sein, ein Zweizeiler, oder ein Siebensilber)
Nun aber zum Gedicht von Andreas Gryphius, dessen erste zwei Strophen ich zitiere.

Es ist alles eitel

Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reisst jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden:

Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.


(weiterlesen unter http://gutenberg.spiegel.de/buch/andreas-gryphius-gedichte-2204/3)

Durch und durch könnte einer wie mir dieses Gedicht gehen, denn mir ist die Eitelkeit nicht fremd. Und auch die Eitelkeit nicht. Also geht mir dieses Gedicht in der Tat und ohne Konjunktiv durch und durch. Aber Achtung: Auch wenn alles eitel ist, so ist es doch gleichzeitig wichtig. So wie auch ich wichtig bin, obwohl ich eitel bin. Da fällt mir ein Bild aus einem Comic ein, nämlich aus den Peanuts. Ich beschreibe das Bild: Charlie Brown und Snoopy sitzen am Ufer und schauen ins Wasser. Charlie Brown sagt: "Eines Tages werden wir sterben, Snoopy!" Und Snoopy antwortet: "Ja, aber an allen anderen Tagen werden wir leben!" Ganz stimmt das zwar nicht, denn wenn Snoopy und Charlie Brown den einen Tag, an dem sie sterben, hinter sich haben, werden sie an den Tagen danach nicht mehr leben, und das werden möglicherweise ganz schön viele Tage sein, die es allerdings für Charlie Brown und Snoopy nicht mehr gibt. Nun ja, trotzdem ist Snoopys Botschaft auf ein bisschen hinterlistige Weise freundlich, will mir scheinen. Überhaupt in der englischen Version: "Some day we will all die, Snoopy!" "True, but on all the other day, we will not!"
Durch und durch ist auch der Titel eines Gedichtes von Ilse Aichinger (aus dem Band "Verschenkter Rat").

Durch und durch

Wir sind alle
nur für kurz hier eingefädelt,
aber das Öhr
hält man uns seither fern,
uns Kamelen.

Ja. Das Kamel. Das Nadelöhr. Das Paradies.
Ich vergesse es nicht.
Ja, ich trage Sorge, es nicht zu vergessen, das Paradies. Und ich zitiere einen Satz von Ilse Aichinger aus einem Interview mit Bettina Steiner (enthalten in "Es muss gar nichts bleiben"): "Wenn mir einer sagt, ich soll mich nicht sorgen, dann soll er mir sagen, was ich stattdessen machen soll."
Sind die Sorgen unentbehrlich? Sind die Sorgen eine liebenswerte Art, zu denken? Sind die Sorgen etwas, das zu unserem Leben beiträgt, jedenfalls so, wie dieses Leben sich in vielen Zeiten gestaltet? Ich habe dazu und zur Frage, was Sorgen (für mich?) bedeuten könnten (und manchmal tatsächlich bedeuten), einmal ein kleines Anagramm-Bild gezeichnet. Hier ist es (ein Anflug von Ironie ist ihm nicht fremd):