Kapitel 46: KürZungen |
Das Haiku ist eine kurze Form, aber man kann auch dies noch kürzen. Wie etwa Gerhard Jaschke in seinen Gekürzten Haikus, veröffentlicht in Zeitzoo Halbjahr 2016. Gekürztes
Haiku Abendrot Ich erinnere mich jetzt an einen Beitrag aus einem
literarischen Blog von Andreas Unterweger, in dem ich gelegentlich lese.
Der Beitrag heißt "Sonst kann ich nix!" (Gespräch
über das Schreiben) und er handelt in einem kleinen Ausschnitt
von der Schriftstellerin Michèle Grangaud und ihrem Projekt der
geschmolzenen Gedichte (Poème fondus). Da heißt es: Da
gabs von der Michelle Grangaud ein schönes Experiment, wo sie die
Sonette von Joachim de Bellay aus dem 16. Jahrhundert hergenommen hat
und aus diesen Sonetten jeweils ein Haiku destilliert hat, wo sie nur
Wörter verwendet hat, die in dem Sonett drinnen waren, und daraus
hat sie dann ein Haiku gemacht. Und in dem Haiku steht ja oft das Gleiche
in viel kürzerer Form drinnen, und manchmal ganz was anderes. Les neiges fondront. Im erwähnten Buch steht es auf Seite 288, das Buch von Michelle Grangaud heißt: "D‘une petite haie, si possible belle, aux Regrets". Das Originalgedicht könnte man im Buch von Bellay nachlesen, dieses heißt: "Les regrets et autres oeuvres poetiques". Man kann sich natürlich auch ein Originalgedicht dazu ausdenken, ja, ich versuche das jetzt: Ich fürchte mich nicht
vor dem Schnee. Jetzt kann man natürlich dieses Gedicht von mir wieder zu einem Haiku "schmelzen" und es wird mit Sicherheit ein anderes Haiku werden als jenes von Michelle Grangaud. Und aus jenem Haiku kann man wieder ein langes Gedicht erfinden undsoweiterundsofort. Da capo senza fine sozusagen. |