Kapitel 49: Ich lege ein Wort ein |
Ich beginne mit einem Gedicht von Ilse
Kilic, das bin ich. Das Gedicht handelt davon, dass manche (vielleicht
sogar alle?) Gedichte sich zu Recht weigern, immer und überall
glücken zu sollen. Sie wollen für sich stehen, sich nicht
messen oder beurteilen lassen. Ich lege ein Wort ein für jedes Gedicht, das nicht glückt Ich trinke Wasser, das Millionen
Jahre alt ist. Dann lese ich einen Text über
Kriterien eines geglückten Gedichts. Es gibt kein Gelingen ohne
Misslingen. (Dieses Gedicht ist in der Zeitschrift zeitzoo im Jahr 2016 erschienen) Dazu passt das folgende Zitat von Christine Lavant, auf das mich die Dichterin Bess Dreyer aufmerksam gemacht hat. Christine Lavant sagt: Arme Gedichte wollen schließlich auch 'leben'. Wer das, was er schreiben muß, zurückhält, ist vielleicht wie ein Weib, das seine Kinder vergräbt aus Angst, sie könnten dem lieben Nachbarn nicht gefallen. Das Zitat befindet sich in der FAZ vom 13.5.2017, innerhalb eines Artikels über Christine Lavant. Ich habe eine Weile überlegt, ob es möglich ist, hier noch ein weiteres Gedicht vorzustellen. Es sollte nicht so aussehen, als würde es quasi ein Beispiel für ein armes Gedicht sein, eines, von dem ich womöglich die Behauptung aufstelle, dass es nicht glücke. Übrigens: Wenn ein Gedicht nicht glückt, muss dies keineswegs immer am Gedicht liegen. Das Glücken eines Gedichts ist ein Zusammenspiel zwischen Gedicht und LeserIn. Und außerdem kann es manchmal wunderbar sein, wenn ein Gedicht nicht glückt, ja, es gibt Situationen, wo ein Gedicht, das nicht glückt, dies auf beeindruckende Art und Weise tut, was wiederum eine Art sein könnte, doch zu glücken. Es kann beeindruckend sein, nicht zu glücken. Es kann notwendig sein, nicht zu glücken. Schließlich habe ich mich aber doch entschlossen, diesem Kapitel ein Gedicht von Christine Lavant hinzuzufügen. Ich finde, jeder und jede, die Gedichte liest, sollte Christine Lavant kennen und kennenlernen. Und jede und jeder, der oder die keine Gedichte liest, hat immer Gelegenheit, damit anzufangen. Zum Beispiel jetzt. Ob das Gedicht ein armes Gedicht ist, weiß ich nicht. Ich wünsche ihm, dass es 'leben' kann, so wie es Christine Lavant allen Gedichten gewünscht hat. Christine Lavant: Erlaube mir traurig zu sein... Erlaube mir traurig zu sein (Das Gedicht stammt aus einem Lyrikband von Christine Lavant, der 2014 im Wallstein Verlag erschienen ist) |