Kapitel 50: Hex Hex. Du musst dein Leben ändern.


Ich beginne mit einem Gedicht von Frauke Tomczak, die ich in Düsseldorf sowohl als Autorin als auch als Moderatorin kennengelernt habe. Danke, Frauke, für die Zusendung dieses Oster-Geschenk-Gedichtes und die Erlaubnis, es hier, unter all den absonderlich und süßen Gedichten, präsentieren zu dürfen. Für mich ist das Gedicht ein kleiner Zauberspruch und eine Hommage an die Musik und ihr Gurren gegen das Buckeln. Wir sollen also Singen und nebenbei dreht sich das Weltenei und vielleicht sogar der Sonne zu. Den Ton müssen wir nicht treffen: der Ton, die Weltenharmonie hat bereits auf uns gewartet, und sie beinhaltet "alles Mögliche und vielleicht auch ein bisschen etwas an Unmöglichem". Wenn wir singen, zaubern wir. Quasi. Ein bisschen.

HEX, HEX
 
Ein kleiner Ton ex
hopp im Unisono
wär' die Geburt von
Weltenharmonien!
gegen gebuckelt und gegurrt
danach gesangsfroh festgezurrt
und angegurtet mitgesurrt
im Unisono eins zwei drei -
der kleine Ton so solo
in diesem Zählgesang
ist keine Hexerei -
ex hopp! pop!
wie Weltgesang
ganz nebenbei
im Weltenei!

Ein bisschen Zauber kann der Welt nicht schaden, ob sie nun als Ei auftritt oder als an den Polen abgeflachte Kugel oder als Kartoffel, wie es Bilder des Satelliten Goce nahelegen: www.welt.de.

Und ein bisschen ÄNDERN, nein eigentlich viel ÄNDERN kann der Welt nicht schaden, ob es nun gezaubert ist oder nicht. An dieser Stelle erinnere ich an die Maschine zur Verbesserung der Welt, der ich einmal in einem Museum in Zürich (Ausstellung: Der Schrank von Ramon Haze) begegnet bin. Seit dem 17. Jahrhundert gab es die Idee, eine Weltverbesserungsmaschine zu errichten. Die von Ramon Haze präsentierte Maschine nennt sich: "Die Maschine zur Veränderung der Welt zum Guten hin".
Ich fragte und frage mich: Was ist mit dieser Maschine los? Ist sie in Betrieb und funktioniert nicht? Wartet sie darauf, dass sie in Betrieb genommen wird? Ist sie funktionsfähig oder wartet sie auf ihre Vollendung? Birgt sie Gefahren? Am Hamburger Bahnhof in Berlin war übrigens im Jahr 2013 eine Rekonstruktion einer vergleichbaren Maschine ausgestellt. (Nachlesen kann man darüber in den Büchern "Die Berliner Weltverbesserungsmaschine. Eine Geschichte des fortwährenden Scheiterns" und "Die Berliner Weltverbesserungsmaschine. Die Rekonstruktion einer abstrakten Imagination", beide Merve Verlag, 2013.)
Das Ändern ist auch Thema des Folgenden Anagrammgedichtes von Petra Nachbaur. Hier geht es um die ganze Welt und um das eigene Leben. Und um einen drängenden, dringlichen Imperativ, der im "du musst" steckt. Mein Herz macht einen erschrockenen Sprung in den Hals, bevor es in die Hose rutscht und es sich dort gemütlich macht. Das ist natürlich eine Metapher. Das Herz kann gar nicht in die Hose rutschen und ob es in der Hose gemütlich wäre, kann ich nicht einschätzen. Meine Arschbacken sagen: ja.

(du musst) musst) raben-lende dienen
(du musst) musst) daenen-birne edeln
(du musst) musst) leinen-reden baden
(du musst) musst) nadel-enden reiben
(du musst) musst) neid-abende lernen
(du musst) musst) deine-adel brennen
(du musst) musst) ende-narben leiden
(du musst) musst) den erben einladen
(du musst) musst) die lederne bannen
(du musst) musst) den lieben anreden
(du musst) musst) die rennende laben
(du musst) musst) lieder da benennen
(du musst) musst) andere nie blenden
(du musst) musst) anden leider ebnen
(du musst) musst) deinen nabel erden
(du musst) musst) dein leben aendern

(Das Gedicht von Petra Nachbaur ist enthalten in: "Das ist danach im Tigermagen", herbstpresse, Wien 1995). Die Schlusszeile und zugleich die Ausgangszeile des folgenden Anagramms von Petra Nachbaur "Du musst dein Leben ändern" bezieht sich auf das Sonett "Archaïscher Torso Apollos" von Rainer Maria Rilke, das mit diesem Satz schließt.