Kapitel 58: Worte, in denen wir erschrecken  | 
    
Es gibt sie, diese Gedichte, wo man als Leserin die Luft anhält. Manchmal sind es Gedichte, die etwas ansprechen, das man in irgendeiner Art und Weise mit seinem eigenen Schicksal verbindet. Manchmal sind es auch Gedichte, die etwas ansprechen, vor dem man sich fürchtet. Das können politische Wirklichkeiten sein, Ungerechtigkeiten, die schockierend sind, denen gegenüber man sich hilflos fühlt. Im Gedicht von Margret Atwood liegt das Luft anhalten schon im Titel. "Letztes Gedicht". Was ist ein letztes Gedicht? Ist es gewissermaßen eines, das von den "Letzten Dingen" spricht? Ist es eines, das wir lesen, bevor wir aufhören zu lesen? Ist es ein Gedicht, in dem es kein Morgen gibt, wie es in der ersten Strophe ja auch geschrieben steht? Nun, es ist von allem etwas, aber es endet nicht ohne Hoffnung, zumindest nicht ganz, und, ja so ist es gewissermaßen trotzig. Das Gedicht steht jedenfalls im Margret Atwoods Lyrikband "Wahre Geschichten" und wer zum Beipiel in Wien lebt, kann diesen in der Wiener Städtischen Bücherei ausleihen. Letztes Gedicht Auch das folgende Gedicht, es stammt von Sabine 
          Gruber, lässt nicht sonderlich viel Hoffnung. Es beschreibt einen 
          Ort, den wahrscheinlich viele von uns kennen: das Wirtshaus. Es ist 
          aber nicht das Wirtshaus der fröhlichen Begegnungen, des Pläneschmiedens 
          und der Heiterkeit, es ist das Wirtshaus der düsteren Schatten, 
          das Wirtshaus der verlorenen und erschöpften Seelen. In diesem 
          Wirtshaus lacht niemand. Zu den verlorenen Seelen fällt mir gerade 
          ein Buch ein, das meine Kollegin, die Dichterin Margret Kreidl mir empfohlen 
          hat und das ich an dieser Stelle weiterempfehlen möchte. Es heißt: 
          "Prolls - Die Dämonisierung der Arbeiterklasse". Der 
          Autor Owen Jones untersucht darin, wie aus dem "Salz der Erde", 
          das die Arbeiter*innen ja einst waren, eine sowohl verarmte, aber auch 
          stigmatisierte Bevölkerungsgruppe werden konnte, die man als Prolls 
          beschimpft.  Im Wirtshaus Die Tagessätze sind billig, Der Schatten unterm Tisch Fremdkörper. Schablonen 
          für Was passiert, passiert auch 
          so Zum Abschluss ein kleines und zartes Trostgedicht von Judith Nika Pfeifer. Ich habe es ihrem Lyrikband "nichts ist wichtiger ding kleines du" entnommen. Ob es nun das Pflästerchen gibt oder nicht, ob der Himmel blau ist und uns doch auf den Kopf fällt: Wir wissen es nicht. Was wir wissen? Es gibt den Trost, ob er nun ganz bei uns ist oder nicht. trost 2 nicht ganz bei  |