Kapitel 59: Der Himmel


Vorige Woche, am Tag der Generalversammlung der Grazer Autorinnen Autorenversammlung hat die Kollegin Christine Haidegger mir ein Gedicht überreicht. Es trägt den Titel "Schweine" und bezieht sich auf deren Verhältnis zum Himmel, Christine Haidegger schreibt:

Schweine
können den Himmel
nicht sehen
Das liegt
an ihrem Körperbau
Du denkst
an ihre feuchtbraunen Augen
mit den starrweißen Wimpern
und hörst
ihr behagliches Grunzen
nachdem sie
den Boden gepflügt haben
für ihr tägliches Mahl

Fehlt ihnen
die Weite dort oben?
Sie sehen sie
in den Pfützen gespiegelt
und treten hinein
zerstampfen die Wolken
oder Planeten
voll Unschuld
und sehen dem Schmetterling nach
der Fleisch frisst und Aas
obwohl er uns
zartflügelig schön dünkt
- sie
wissen es besser

Christine Haidegger weiß, dass Fritz Widhalm und ich ein Glücksschweinmuseum betreiben. Deswegen hat sie das Schweinegedicht uns gewidmet. Ich liebe es, wenn jemand mir, meinem Gefährten Fritz oder dem Fröhlichen Wohnzimmer ein Gedicht widmet! Danke Christine Haidegger!
Jetzt sitze ich in unserem Glücksschweinmuseum und denke an Schweine und an ihren Körperbau. Ich frage mich, ob sie den Himmel vermissen, der sich, ob irgendein Lebewesen ihn betrachtet oder nicht, über uns wölbt. Allerdings, ich habe nachgelesen, gilt dies nicht für alle Schweine, da es nicht nur mit dem kompakten Körperbau, sondern auch mit der Größe der Ohren zu tun hat. Überdies können sich Schweine hinsetzen und hinlegen, zum Beispiel, wenn sie sich im Schlamm suhlen! Und, auf dem Rücken liegend, sehen sie mit großer Sicherheit auch ein Stück des Himmels, wenn sie sich im Freien befinden und nicht in einem engen Schweinestall eingesperrt sind.

Ja, es gibt Tiere und andere Menschen, falsch, Menschen und andere Tiere, für die der Anblick des Himmel bedeutsam ist. Schweine gehören vielleicht nicht dazu, wir wissen es nicht. Ihre Schönheit leidet darunter ebenso wenig wie ihre Fähigkeit, dem Leben mit Herzenswärme und Mut zu begegnen.

Ich bin eigentlich nicht sicher, ob der Anblick des Himmels ermutigend ist oder im Gegenteil mutlos macht.

Ich zitiere dazu einen Satz, der fast ein Gedicht ist, und der als Trost wirkt, angesichts der Mutlosigkeit, die es gibt, im eigenen Leben und überall rundum, gelegentlich, manchmal, oft, immer wieder. Der zitierte Satz, der fast ein Gedicht ist, stammt aus Eduardo Galeanos Buch "Geschichtenjäger". Er lautet:

Die Mutlosigkeit ist der Beweis dafür, dass man auch Mut haben kann.

Zum Verhältnis des Kopfes und Halses im Körperbau des Menschen aber zitiere ich aus Ulrich Holbeins Buch "Samthase und Odradek", das ich vor 20 Jahren, nämlich 1998, gelesen habe und das die oftmalige Vergeblichkeit des Blickes, sich dem Himmel zu nähern, beschreibt. Ich musste lächeln, als ich es las, da ich ja selbst zu den kurzhalsigen Menschen gehöre.

(…) Einerseits gibt der Hals sich hier und da anmutig. Er erlaubt es der Vorstufe des Kopfes, der Rumpfausstülpung, Kopf zu sein, also sich balletös auf eine Zehenspitze zu stellen. Öfter aber bindet Hals oder Kurzhalsigkeit den Kopf, dessen Stirn sich dem Himmelgewölbe entgegenwölben wollte, mit Unerbittlichkeit an alles Tiefergelegene, fast Abgestreifte (…)