Kapitel 6: Absonderlich? |
Absonderlich,
adj. et adv. was abgesondert werden kann, von andern abgesondert
zu werden verdienet, und wirklich abgesondert ist, so wohl 1)
in der eigentlichen Bedeutung, als auch 2) in der uneigentlichen,
besonders in Rücksicht auf die verschiedenen Ursachen der Absonderung. Was mir in dieser Aufzählung fehlt, ist die Idee der Sonde. Nun hat sie "in der so genannten real existierenden Wirklichkeit" nichts mit dem Wort absonderlich zu tun. Dementsprechend gibt es im oben genannte Wörterbuch auch keine Sonde (man beachte das Erscheinungsdatum und die real existierende Wirklichkeit). Die Idee des Sondierens ist eine recht neue Idee. Sie beschreibt die Tatsache, dass wir mittels Sonden in die Wirklichkeit eindringen, ihr teilweise sogar Proben entnehmen, mittels derer Erkenntnisse gewonnen werden sollen. Diese Wirklichkeit kann Teil des eigenen Körpers sein, sie kann aber auch weit außerhalb unserer alltäglichen Erfahrung liegen, etwa im Weltraum. Wie aber und welches Gedicht passt zur Idee der Sonde? Genau genommen jedes. Genau genommen keines. Mir fällt jetzt ein, dass ich gelesen habe, dass es zur Aufgabe so genannter "avancierter Kunst und Literatur" gehören könnte, "der Wirklichkeit kleine Proben zu entnehmen", um, naja, um sich vor der Verletzung durch die Wirklichkeit tendenziell zu schützen, ohne ihr verletzendes Potential zu leugnen. (vgl. Rudi Thiessen: Urbane Sprachen - Proust, Poe, Punks Baudelaire und der Park. Vier Studien über Blasiertheit und Intelligenz. Vorwerk 8, Berlin 1997) Ich denke, an dieser Stelle hat nur mehr ein kurzes und vielleicht auch ein heiteres Gedicht Platz. Ja, es gibt heitere Gedichte! Zum Beispiel dieses: Kinder weinen. Es stammt von Joachim Ringelnatz (1883-1934). Weitere Infomationen zum Autor und weitere Gedichte sind zu finden auf: http://www.zeno.org. |