Ich beginne mit einem Gedicht von May 
          Swenson, diesmal auf englisch, es handelt vom Jungsein und, hm, dass 
          das Jungsein nicht von Dauer ist, ja nicht von Dauer sein kann. May 
          Swenson ist übrigens am gleichen Tag geboren wie ich, am 28. Mai 
          nämlich, nur 45 Jahre früher und nicht in Wien, sondern in 
          den USA. 
          Ob sie ein "inneres Kind" meint, wenn sie von der "Puppe" 
          spricht, das man bewahren muss, versteckt in einem Kasten, das bewundert 
          und geliebt werden muss. während man sich beim Älterwerden 
          beobachtet und ihm entgegenlebt, weil es eben Zeit braucht, alt zu sein? 
          Die Jugend erstreckt sich über eine lange Zeitspanne, da sie ja 
          relativ zum eigenen Alter gesehen wird. Für mich als Sechzigjährige 
          sind die Dreißigjährigen jung (wenn auch nicht mehr jugendlich), 
          für mich als einst Zehnjährige waren die Dreißigjährigen 
          alt (wenn auch nicht greisenhaft). Zur Relativität des Alters folgt 
          im nächsten Kapitel noch ein Gedicht von Wilhelm Busch.
        Nun aber zu May Swensons Gedicht. Ich habe es übrigens 
          interessehalber von einem Übersetzungsprogramm übersetzen 
          lassen und, ganz am Ende des Kapitels, zitiere ich die erste Strophe 
          dieses Gedichts in der automatischen Übersetzung, gewissermaßen 
          als Kuriosum. Generell kann ich empfehlen, sich die O-Ton Aufnahmen 
          amerikanischer Dichter und Dichterinnen zu Gemüte zu führen. 
          Es ist schon interessant, die Stimmen der Dichter und Dichterinnen zu 
          hören.
        May Swenson
        How To Be Old
        It is easy to be young, (Everybody 
          is,
          at first.) It is not easy 
          to be old. It takes time.
          Youth is given; age is achieved.
          One must work a magic to mix with time
          in order to become old.
        Youth is given. One must put 
          it away
          like a doll in a closet,
          take it out and play with it only
          on holidays. One must have many dresses
          an dress the doll impeccably 
          (but not to show the doll, to keep it hidden)
        It is necessary to adore the 
          doll,
          to remember it in the dark on the ordinary
          days, and every day congratulate
          one‘s aging face in the mirror.
        In time one will be very old.
          In time, one‘s life will be accomplished.
          And in time, in time, the doll -
          like new, though ancient - will be found.
        Das Älterwerden ist wohl etwas, das viele Menschen 
          in irgendeiner Art und Weise beschäftigt. Ich weiß nicht, 
          ob der traurige Unterton in May Swensons Gedicht zwingend mit dem Älterwerden 
          verbunden ist, er ist mir aber vertraut, vielleicht sogar aus einer 
          Zeit, in der ich noch jünger war und mir das Älterwerden große 
          Freude bereitete.
          Ich möchte in diesem Zusammenhang aber nicht verabsäumen, 
          dem Gedicht in einem wichtigen Punkt zu widersprechen: Es ist nicht 
          wirklich leicht, jung zu sein, obwohl es jeder und jede ist oder jedenfalls 
          gewesen ist. Ich hoffe, das Gedicht verzeiht mir diesen kleinen Widerspruch, 
          auch wenn ich zugeben muss, dass, in gewisser Weise, die Jugendlichkeit 
          gelegentlich von einer zauberhaften Leichtigkeit begleitet wird. 
          Dass ich mich nun gerade durch mein zweiundsechzigstes Lebensjahr verwickle, 
          wer hätte das geahnt? Selbst das größte magische Geschick 
          und die bezauberndste Anstrengung bedürfen glücklicher Fügungen. 
          Davon handelt ja auch der Verwicklungsroman, den ich, Ilse Kilic, gemeinsam 
          mit Fritz Widhalm schreibe, solange ich am Leben bin und solange er 
          am Leben ist. Also: Weiter zaubern und weiter bezaubern, das wünschen 
          wir uns! In der Wikipedia habe ich übrigens gelesen, dass mit sechzig 
          das Greisenalter beginnt, nunja, das macht nichts, solange wir trotzig 
          und tapfer uns an der Welt und die Welt mit unserer Anwesenheit erfreuen 
          können, darf Wikipedia uns Greisinnen nennen, was ja auch als Kompliment 
          verstanden werden könnte.
          Gerade ist übrigens der elfte Band des Verwicklungsromans erschienen, 
          wie immer in der Edition 
          ch, die der Autorenkollege Günter Vallaster betreibt. Ein Gedicht, 
          das ich über die Zeit, die nur eine Richtung kennt und über 
          die Zukunft, die mich ängstigt und die ich doch erhoffe, geschrieben 
          habe, geht so:
        Ilse Kilic
         zukunft
        wäre morgen gestern
          so fragte ich
          wie wars?
        die antwort darauf
          wär wohl kurz,
          sie lautete: wart ab.
        
          Und abwarten ist wohl eine durchaus praktikable Möglichkeit, einen 
          Blick in oder auf die Zukunft werfen zu können. 
        Ich habe in der Wikipedia das folgende Verkehrsschild 
          entdeckt. Es ist wohl ein Hinweis an Verkehrsteilnehmer, besonders achtsam 
          zu sein, da alte Menschen die Straße queren. Ich hätte nichts 
          dagegen, wenn motorisierte VerkehrsteilnehmerInnen generell und besonders 
          achtsam wären. Zur Erinnerung: Sowohl ich als auch mein Partner 
          Fritz wurden von Autos niedergestoßen, ich auf einem Wanderweg 
          nahe Strobl, Fritz beim Überqueren der Kaiserstraße in Wien. 
          Beide hatten wir einen Schutzengel, auch wenn Fritzens Nase chirurgisch 
          eingerichtet werden musste.
          Das Bild stammt aus Singapur, scheint aber auch in Portugal und Malta 
          zu existieren. https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Old_people_in_art?uselang=de. 
          Unter diesem Link kann man sich auch andere Abbildungen alter Menschen 
          in verschiedenen Kontexten ansehen. 
        
         Und nun, als Abschluss, die erste Strophe der automatischen 
          Übersetzung des Gedichtes von May Swenson:
        Wie man alt wird
        Es ist leicht, jung zu sein, 
          (jeder ist,
          zuerst.) Es ist nicht einfach
          alt sein. Es braucht Zeit.
          Jugend ist gegeben; Alter ist erreicht.
          Man muss eine Magie wirken, um sich mit der Zeit zu vermischen
          um alt zu werden.