Ich möchte heute mit einem Gedicht
beginnnen, das in einer Sprache geschrieben ist, die vermutlich viele
von Euch nicht verstehen oder gar fließend sprechen können.
Es stammt von Fahmida Riaz, einer Dichterin und Feministin aus Pakistan.
In Urdu wird ihr Name folgendermaßen geschrieben:
Fahmida Riaz hat in Pakistan 1997 unter dem Dach einer NGO namens WADA
(Women & Development Association) Pakistans ersten Frauenliteratur-Verlag
gegründet.
2018 ist Fahmida Riaz 72jährig gestorben.
Sie schrieb in der Sprache Urdu. Urdu ist Nationalsprache sowie Amtssprache
in Pakistan und einigen indischen Bundesstaaten, weltweit wird es von
250 Millionen Menschen gesprochen. Das Gedicht handelt von Aqleema,
der Schwester von Kain und Abel, der meist wenig bis gar keine Beachtung
geschenkt wurde. Bevor ich dieses Gedicht gelesen hatte, wusste ich
gar nicht, dass Kain und Abel eine Schwester hatten.
Weil möglicherweise Urdu nur von wenigen verstanden wird und weil
es ja eigentlich in arabisch-persischer Schrift und von rechts nach
links geschrieben wird, habe ich hier nur drei Zeilen der Originalfassung
zitiert, man kann sie, auch in der arabisch-persischen Schrift, allerdings
auf der folgenden Seite nachlesen:
https://urduwallahs.wordpress.com/2012/04/18/aqleema-by-fahmida-riaz/.
Unter diesen drei Zeilen folgt die englische Übersetzung. Eine
deutsche Übersetzung habe ich auch gefunden, allerdings ist hier
nur ein Teil des Gedichtes übersetzt.
Aqleema
Aqleema jo Haabeel ki Qaabeel ki ma-jaayi hai
Ma-jaayi, magar mukhtalif
Mukhtalif beech mein raanon ke
(...)
Aqleema
The sister of Cain and Abel
But she is different
Different between her thighs
And in the bulge of her breasts
Different in her gut
And inside her womb
Why is the fate of all of these
The sacrifice of a fatted lamb?
Imprisoned by her own body
Burning in the scalding sun
She stands on a hilltop
Like a mark etched on stone
Look at this mark carefully
Above the long thighs
Above the high breasts
Above the tangled womb
Akleema has a head too
Let God speak to Aqleema some time
And ask her something.
Aqleema
Die Schwester von Kain und Abel
Aber sie ist anders
Anders zwischen ihren Schenkeln
Und in der Ausbuchtung ihrer Brüste
Anders in ihrem Bauch
Und in ihrem Leib
(...)
Aqleema hat auch einen Kopf
Lass Gott einige Zeit mit Aqleema sprechen
und sie etwas fragen.
Ich schließe dieses Kapitel mit einem kurzen
Gedicht von Eva Scheufler. Es korrespondiert in gewisser Weise mit dem
Gedicht, aber auch mit dem Leben von Fahmida Riaz, die in ihrem Werk
auf Stimmen und (auch) körperliche Präsenz von Frauen fokussiert.
Auch Eva Scheuflers Gedicht weiß Bescheid über die Welt,
weiß Bescheid über Sein, Dasein und Dagegensein. Es spricht
nur wenige Worte, es steht da, erhebt kurz seine Stimme, dann spitzt
es die Ohren und lauscht. Allein ist es ja nicht! Das Frauenleben ist
ja eigentlich nie "allein", aber das Leben "allein",
also das Leben an sich fordert Kraft, wird zum Widerstand gegen ungünstige
Bedingungen. Das Leben ist tapfer und verknüpft sich mit anderen
Leben, mit Worten, Werken, Träumen und Warnungen, mit der berechtigten
Sorge und der Sorglosigkeit. Gewiss freut sich das Gedicht von Eva Scheufler
darüber, die Dichterin Fahmida Riaz kennenzulernen, es freut sich
über alle Gedichte und alle Dichterinnen und Dichter, die widerständig
ihre Stimme erheben. Eva Scheuflers Gedicht habe ich der Lyrikanthologie
"absonderlich und süß: ungleiche gedichte" entnommen.
Widerstand
Wie so
ein Frauenleben allein
bloßer Widerstand
kann sein