Das erste Gedicht dieses Kapitels stammt 
          von Augusta Laar. Ich habe es ihrem Katalog entnommen, welcher zur Ausstellung 
          "mitteilen" im Jahr 2019 erschienen ist. Augusta Laar hat 
          mir später geschrieben, dass das Gedicht das Anfangsgedicht zu 
          einem Zyklus namens "Den toten Vögeln Gedichte vorlesen" 
          ist. Ich habe es als Bitte an die Vögel verstanden, an die Vögel, 
          die es gibt oder auch nicht, die da sind oder auch nicht, die in unseren 
          Träumen ihr Unwesen oder ihr Wesen treiben, als Bitte an all diese 
          Vögel, uns zu retten, so habe ich es verstanden. Ich weiß 
          nicht, ob die Vögel besondere Lust haben, uns zu retten, aber, 
          sagen wir so: Wäre ich zum Beispiel ein Yatagarasu oder ein Alkonost, 
          ich ließe mich dazu überreden, einen Rettungsversuch zu starten. 
          Der Alkonost hat nichts mit dem Alkohol zu tun, auch wenn man dies aufgrund 
          seines wohlklingenden Namens vermuten könnte. Die Alkonosty sind, 
          soviel sei erwähnt, magische Vögel des Glücks und der 
          Hoffnung. Ein Yatarasu lässt sich als ein Geistwesen in der Gestalt 
          einer dreibeinigen Krähe beschreiben. Pokémon-Spieler*innen 
          ist Yatagarasu vielleicht bekannt. Nun aber zum Gedicht, das, ich sage 
          es mal so, uns in Erinnerung ruft, dass wir nicht allein sind.
        Augusta Laar
          ANRUFUNG DER VÖGEL
        Garuda Greif Pirol
          Hugin und Munin
          Humbaba Löwenadler Peng 
          Peryton und Phönix
        rettet uns
        Schabaz Simurgh Sirin
          Turul Tengu Vedrfölnir Basilisk
          Feuervogel und Drachentaube
          Alkonost Fenghuang
        rettet uns
        Harpye Hieracosphinx
          Yatagarasu Jungfrauenadler
          Hraesvelgr Nachtkrabb
          Feuervogel Ziz
        rettet uns
        Aasgeier Lumpenadler 
          Roch Quetzal Benu Falke Ibis 
          Seidenreiher Entenvogel
          Ilmatar ihr götter der lüfte
        rettet uns
          rettet uns 
          rettet uns
        
          Eine Anrufung ganz anderer Art stammt von der Musikgruppe The Fugs. 
          Die us-amerikanische Band The Fugs wurde 1964 von Ed Sanders und Tuli 
          Kupferberg in New York gegründet. Zu ihren bekanntesten Aktionen 
          gehörte eine Teufelsaustreibung vor dem Pentagon im Oktober 1967. 
          Im September 1968 waren sie eine der umstrittensten Attraktionen bei 
          den Essener Songtagen, wo sie ein Schwein als ihren amerikanischen Präsidentschaftskandidaten 
          vorstellten. Die Teufelsaustreibung vor dem Pentagon haben die Fugs 
          im Jahr 2017 wiederholt. Der gerufene beziehungsweise gesungene Text 
          stammt von Ed Sanders. Ich denke, dass er leicht zu verstehen ist, deswegen 
          folgt hier die englische Fassung, besser gesagt, ein Ausschnitt davon. 
          Ein Video über die Aktion im Jahr 2017 sowie das alte Video von 
          1967 kann man im Internet unter http://internationaltimes.it/exorcism-of-the-white-house/ 
          ansehen.
          Im Video von 2017 sieht man am Schluss auch die davonwirbelnden Dämonen. 
          Ein Wunschbild quasi.
          Es stimmt mich traurig, dass der Teufel immer noch im Pentagon spukt 
          - und natürlich nicht nur dort - dem Gedicht und den wunderbaren 
          Aktionen der Fugs zum Trotz. 
          Geht es also beim ersten Gedicht um unsere Rettung durch Vögel 
          so geht es beim zweiten Gedicht um das Verschwinden teuflischer Einflüsse 
          aus Gesellschaft und der ganzen Welt. Das wäre gewiss auch im Interesse 
          der Vögel.
        The Fugs
          Exorcism of the White House
        1.
          In the name of the Amulets
          of Friendship & Civilisation
          & against Border-Bashing
          & manias for Regime Change
        In the name of triumph
          over the curse of explosions & drones
        In the name of Ahimsa & 
          nonviolence
          between heretofore rival civilisations
        In the name
          of Peace & Love & Sharing!
        We call upon the powers of 
          the Cosmos
          to protect our ceremonies!
        In the name of Zeus, in the 
          name of Anubis,
          God of the Dead, in the name of all those killed for causes
          they do not comprehend -
        in the name of the millions 
          dead in Iraq, Afghanistan,
          & the East
        & in the name of the blown-apart 
          Americans
          on war-zones in the USA
          & in other countries as well!
        2.
          In the name of Rosa Parks, Lilith, Mary, 
          Aphrodite, Hera, Rose Pesotta …
          we call upon the Malevolent Spirits in the White House
          to be Banished and Exorcised! 
          Out, Demons, Out!!!
          Out, Demons, Out!!!
        (...)
        We call upon the Spirits of 
          Eternity
          to raise the White House
          from its foundations
          spin it around
          & cleanse it of Evil & Malevolent Demons
        We summon the Spirits of Benevolent 
          Destiny
          to exorcise the White House
          of its violence, ill-will, and ill-intentions
          from now till the End of Time!
          in the name of Peace, Love & Economic Justice!
          in the name of Harmony among Nations on Earth
        (Ahh! here of peace and harmony)
        3.
          Out, Demons, out! Out, Demons, out!
          Out, Demons, out! Out, Demons, out!
          Out, Demons, out!
        (...)
        O-u-t! Demons, O-u-t!
        Schließen möchte ich dieses Kapitel des 
          Rufens mit einer Textzeile von E.T. Hulme. Sie richtet sich an Gott, 
          von dem ich zwar nicht glaube, dass es ihn gibt, aber das macht nichts. 
          Ich finde einfach die Vorstellung wunderschön, dass der von Sternen 
          durchlöcherte Himmel eine Art Decke ist, in die ein Mensch sich 
          einwickeln kann. Die drei zitierten Zeilen stammen aus Hulmes Werk "The 
          Embankment".
        Oh God make small
          The old star-eaten blanket of the sky,
          That I may fold it round me and in comfort lie.
        Möge die Himmeldecke für uns alle da sein, 
          mögen die Vögel uns retten, möge der teuflische Spuk 
          der Macht so bald als möglich beendet sein. 
          Und, last not least: GO AWAY CORONA, GO AWAY.