Ich möchte heute mit einem kurzen 
          Gedicht von Inger Christensen beginnen. Es stammt aus dem Band "alfabet" 
          und ich kann es auswendig.
          
          alphabet (2) [die farne gibt es]
          
          die farne gibt es; und brombeeren, brombeeren
          und brom gibt es; und den wasserstoff, den wasserstoff
          
          Ich dachte an dieses Gedicht, neulich, als wir die vielen Farne im Botanischen 
          Garten bewunderten, ich drehte ihre Blätter um, ich hatte ja vor 
          längerer Zeit schon darüber gelesen, dass sie sich generativ 
          durch Sporen auf den Blattunterseiten vermehren. Blüten sind ihnen 
          nicht möglich. 
          Dass das Alphabet im Gedicht von Inger Christensen von den Farnen zu 
          den Brombeeren kommt, stellt einen Zusammenhang her, den es geben könnte, 
          aber außerhalb des Gedichtes nicht gibt. Das Gedicht macht einen 
          Zeitsprung, falsch, es spielt in der Gegenwart, wo sich Farne und Brombeeren 
          gute Nacht sagen. Die Brombeeren mit ihren wilden Stacheln, wehrhaft, 
          jedenfalls auf der Welt. Noch. So wie die Farne. Noch immer. Auf der 
          Welt in einer Ordnung der Dinge, je nachdem. Die Elemente, darunter 
          Brom, lassen sich mit einer Ordnungszahl nummerieren. Brom hat 35. Es 
          ist rotbraun. Im Periodensystem gibt es Wasserstoff. Er hat die Ordungszahl 
          1.
          
          Über die Ordnung der Dinge quer und queer 
          durch die Zeiten komme ich zum Tanzplatz des folgenden Gedichtes von 
          Sylviane Dupuis, das ich auf lyrikline.org entdeckt habe. Das ist das 
          Gedicht, das den Zeitsprung intoniert, den ich schon zwischen Farn und 
          Brombeere zu entdecken glaubte.
        Sylviane Dupuis
          TANZPLATZ
          
          Die unfassbare Pracht aller Zeit
          irrt umher im Herzen von Heut
          verliert sie sich, stösst
          ans Leere
          ans Leere sucht eine
          Menschenseele, im Dunkel
          im Beinhaus unserer Träume
          - und Tanzplatz
          
          (Das Gedicht ist veröffentlicht im Buch "Géométrie 
          de l’illimité", 2000. Die Übersetzung stammt 
          von Barbara Köhler.)
          
          Auf diese beiden Gedichte möchte ich nun mit drei Dreizeilern antworten, 
          die ich der Kompostistin Donna Haraway gewidmet habe.
          
          Ilse Kilic
          Kunst und Kompost
        Totsein ist Kompost,
          sagt die Stimme der Natur.
          Ich möchte lieber nicht!, sage ich.
        Nur wenn du lebst kannst du
          Ich möchte lieber nicht! sagen,
          sagt der Kompost.
        Bin ich Kunst?,
          fragt das Leben,
          das letzte Wort schreibe ich nicht.