Ich beginne mit einem Gedicht von Nikolaus Scheibner. Es steht in seinem Gedichtband "Ethik der künstlichen Intelligenz", der 2023 in der Edition fabrik.transit erschienen ist.
        closemaulende blätter
         closewährend ich vom
          closekind zum dummkopf 
          closegealtert bin ist für 
          closeden baum kaum der 
          closemontag vergangen         
          Es passt sehr gut zu diesem Gedicht, dass ich gerade ein Buch über die Zeit lese. Das Buch heißt "Zeitbewusstheit" und stammt von Marcia Bjornerud. Es ist ein Buch darüber, wie die Zeit sich bemerkbar macht und machte. Ja, da geht es auch um andere Intervalle als um jene, in der ein Mensch vom Kind zu irgendeiner Art Dummkopf wird, was vielleicht in gewisser Weise Teil des Lebens ist. Die Idee, Dummkopf zu werden, hat mich am Anfang, beim ersten Lesen irritiert, wer möchte schon ein Dummkopf werden! Andererseits ist Dummkopf irgendwie zeitlos, geschlechtsneutral und es stellt sich die Frage, ob  nicht die Dummheit zwingender Teil jeder Klugheit ist. Für die Steine, die die Hauptrolle im Buch von Marcia Bjornerud spielen, spielt  Dummheit kaum eine Rolle und ihr Alterungsprozess ist langsam, ja, sehr langsam. Das Buch durchstreift also ein paar Milliarden Jahre, einen Zeitraum jenseits meiner Vorstellungskraft, aber vielleicht ändert sich das, wenn ich meinem dummen Dummkopf zuhöre, der sagt: Dummheit ist lernbar. Punkt.  
          Weil es aber um Zeit geht in diesem Kapitel meines GedichteBlogs oder, besser gesagt meines GedichtePlops, wie ich meine Gedichtvorstellungen nannte, als sie noch "in echt" und im Glücksschweinmuseum stattfanden, also, weil es um Zeit und um das Zeitverständnis geht, zitiere ich als zweites Gedicht eines von Elisa Asenbaum. 
          closeEigenzeit als Eigenschaft
         closenichts ist schneller als das Licht 
          closesagt der freie Wille
          closedie Zelle wird zur Zeile 
          closeextrahirnt den Widerspruch
        closeverwildert sich als Ich 
        closeangehaftet an der Zelle
          closerillt drillt die Welt
          closeHaltewunsch und dagewesen 
          closegeborgen ward der Wurm 
        closeund niemand schrie
         closees hallte wallte zeitversetzt 
          closeder Wandel war im Handel 
          closeEigenzeit als Eigenschaft 
          closeHaltewunsch und kein zurück! blätter
          Das Buch von Elisa Asenbaum, aus dem das Gedicht stammt, heißt "interirdisch" und ist ebenfalls bei fabrik.transit erschienen. Hier geht es um die Eigenzeit, eine Eigenschaft, die allem anhaftet, Stein, Baum, Wurm, die Eigenzeit, aus der nichts rauskann, in die nichts reinkann, in der der Haltwunsch gewissermaßen eingesperrt ist? So wenig außen wie möglich, so viel innen wie nötig? Oder doch umgekehrt? Welches Lied singt die Zelle (wenn sie singt)? Und wie ziehe ich einen Bogen zu Nikolaus Scheibner, einen Bogen, der mir, als die beiden Bücher so nebeneinander lagen ganz einleuchtend schien?
Vielleicht mit einem kleinen Gedicht von Ilse Kilic, das bin ich und das geht so: 
closeGib acht,
closedas Gedicht 
closeist Teil der Zeit, 
closesagt das Krokodil.
Alles klar?
Gerade habe ich ein Bild von Fritz Widhalm gesehen, es hängt an der Wand und ich finde, es beschließt dieses Kapitel optimal, hier ist es.
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