Die Tödliche Doris: "7 tödliche Unfälle im Haushalt" (1981)


Nochmals Die Tödliche Doris, diesmal mit dem charmanten Song "7 tödliche Unfälle im Haushalt", yeah. Martin Büsser: Anfang der achtziger Jahre erhob sich aus der Asche von Punk und Neuer Deutscher Welle eine Audiokunstbewegung selbsternannter Genialer Dilletanten. Zwischen vielen Eintagsfliegen reifte der ein oder andere atonale Phoenix. Neben den Neubauten und Malaria zählte dazu in Berlin gewiss Die Tödliche Doris, ein multimedial arbeitendes Projekt der Kunsthochschulabsolventen Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen. In der Tradition von Dada, Situationisten und Fluxus lieferte Doris neben schrägen Musique-concréte-Experimenten in programmatischen Manifesten auch den theoretischen Überbau und bediente sich für die liebevoll abstrusen Verpackungen und Klangmedien bei historischen Avantgarden von Duchamp bis Beuys. Yeah, bei den Dilletanten sind die Onkeln natürlich mitgemeint. Der Song "7 tödlichen Unfälle im Haushalt" erschien 1981 bei ZickZack Records auf der EP "Die Tödliche Doris". Auf dieser EP waren die Songs "7 tödliche Unfälle im Haushalt", "Tanz im Quadrat", "Avon-Gard", "Stop der Information", "Der Krieg der Basen" und "Der Astronaut und der Kosmos" enthalten. Der Song "7 tödliche Unfälle im Haushalt" ist auch auf der 1993 beim Label Die Tödliche Doris Schallplatten erschienenen CD "Die unsichtbare 5. LP materialisiert als CD" zu finden. Außer Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen gehörten noch Chris Dreier, Dagmar Dimitroff, Käthe Kruse und Tabea Blumenstein zeitweise zur Tödlichen Doris, die nicht nur Musik machte, sondern auch eine Menge Super-8-Filme wie "Sabine - Aus meinem Tagebuch", "Das Leben des Sid Vicious", "Das Graupelbeerhuhn", "Blumen am Grab des Vaters", "Tapete", "Zoom", "Die Gesamtheit allen Lebens und alles Darüberhinausgehende" oder "Eine Frau zur selben Zeit an einem anderen Ort" drehte. Im Jahr 1987 nahm Die Tödliche Doris an der documenta 8 in Kassel teil. Wolfgang Utermöhlen starb 1996 im Alter von 38 Jahren an AIDS, Dagmar Dimitroff 1990 im Alter von 30 Jahren bei einem Autounfall und Tabea Blumenschein 2020 im Alter von 67 Jahren. Ulrike Ottinger: Sie, eine Frau von hoher Schönheit, geschaffen wie keine andere, Medea, Madonna, Iphigenie, Aspasia zu sein, beschloss an einem sonnigen Wintertag, ihrer Einsamkeit zu entfliehen und La Rotonda zu verlassen. Sie löste ein Ticket 'Allez - Jamais Retour'. So beginnt mein Film "Bildnis einer Trinkerin" von 1979, und die Frau von hoher Schönheit, für die ich diesen Text schrieb, war Tabea Blumenschein. Nun ist sie, die Tochter Banater Schwaben, mit 67 Jahren gestorben. Zum Thema Geniale Dilletanten lest das Buch "Subkultur Westberlin 1979-1989. Freizeit" von Wolfgang Müller, es ist 2013 beim Verlag philo fine art erschienen. Schön ist auch der Ausstellungskatalog "Geniale Dilletanten - Subkultur der 1980er-Jahre in Deutschland", er ist 2015 beim Hatje Cantz Verlag erschienen. In Deutschland prägte der Künstler und Musiker Wolfgang Müller den Begriff 'Geniale Dilletanten'. Der Rechtschreibfehler in diesem Ausdruck deutete bereits an, um was es Müller ging: Es gibt in der kulturellen Praxis keine Fehler, nur Formulierungen gegen die Norm. 'Das Verspielen, das Verschreiben als positiver Wert, als Möglichkeit zu neuen, noch unbekannten Ausdrucksformen zu gelangen, soll möglichst universell angedeutet werden.' Die Genialen Dilletanten haben auch viel zur Entstehung des Fröhlichen Wohnzimmers beigetragen, yeah, hört Doris, lest Bücher von Wolfgang Müller und natürlich auch aus dem Fröhlichen Wohnzimmer.

25.10.2020