(...)
2008 habe ich ein gedicht für nikolaus geschrieben, nicht für
den heiligen nikolaus, sondern für nikolaus scheibner, den herausgeber
der zeitschrift zeitzoo und betreiber der evolutionsbibliothek. ich
habe keine ahnung mehr, ob das gedicht irgendwann veröffentlicht
wurde, es ist jedenfalls auf meinem computer unter neugedichte2008.doc
abgespeichert.
closenikolaus
closeist
von reizender figur
closeund
mit zehen
closenikolaus
closeist
von niedriger statur
closeund
kann gehen
closewohin
er will
closedas
ist nicht viel
closewas
er will
closedas
heißt nicht phil
closeo
sophie
closewas
uns fehlt
closeo
sophie
closeist
die welt
ich mag nikolaus.
als kind mochte ich lieber den krampus, der war auf- und anregender.
2008 war ich 52 jahre alt.
zu meinem 50. geburtstag hat mein bruder sepp ein gedicht für mich
geschrieben.
close50
jahre ist er jetzt schon unser fritz,
closeihr könnt
uns glauben, es ist kein witz.
closedie mama
nennt dich liebevoll fritzerl,
closeheut
kannst dir vergönnen ein kleines spitzerl.
closedu
bist noch nicht alt aber auch nicht mehr jung,
closees lässt
schon etwas nach der elan und der schwung.
closewenns
wieder irgendwo juckt oder beißt,
closenimm
einen schluck klosterfrau-melissengeist.
closein
der schule da hattest du einen krampf mit dem lesen,
closedas zeichnen
ist dir da viel lieber gewesen.
closeviele
bilder hast du gemalt und geschichterln geschrieben,
closedas künstlerische
ist dir bis heute geblieben.
closemit
deiner gruppe machst du mit viel geschick,
closeeine
schräge und laute untergrund-musik.
closemagen-darm-trakt
oder das fröhliche wohnzimmer habt ihr euch genannt,
closein der
szene seid ihr schon bekannt.
closejeder
mensch der hat so seine lebensleiter,
closefritz
du kletterst heute wieder eine sprosse weiter.
closezu deinem
50-igsten wiegenfeste,
closewünschen
mama und deine geschwister dir das allerbeste.
mein papa ist 2005 gestorben.
ich wiederhole mich.
wiederholung ist eigentlich auch ein sehr schönes wort.
closecystofix
closemarmorguglhupf
closekremšnita
closehumoralpathologie
closestuhlgang
closeetcetera
closewiederholung
sieben schöne worte.
ich denke, mein alterswerk verträgt viele schöne worte.
ilse hat heute mit einer frau geschimpft, die nicht darauf geachtet
hat, genügend abstand zu uns zu halten.
closecorona corona
closeyou're on my mind
close
closei got a bird that whistles
closei got a bird that sings
(...)
wir waren einkaufen, ilse und ich.
einkaufen macht zur zeit nicht wirklich freude. eigentlich gehe ich
ganz gern einkaufen, aber zur zeit macht es mich etwas nervös.
nervosität ist für mich nichts neues, ich bin auch ganz ohne
corona des öfteren nervös.
es gibt tage in meinem leben, an denen ich nervös bin und es gibt
tage in meinem leben, an denen ich nervös bin.
eigentlich begleitet mich die nervosität oft beim einkaufen. fakt
aber ist, einkaufen ohne corona macht mehr freude.
ich kaufe gerne bücher.
ich kaufe gerne schallplatten und cds. pop, yeah.
lebensmittel kaufe ich auch ganz gern, obwohl ich da nicht sehr vernünftig
vorgehe. ich kaufe lebensmittel wie bücher oder pop, yeah, ich
weiß zwar durchaus, was ich will, doch entscheide mich dann vor
ort für etwas anderes, z.b. kaufe ich schokolade anstatt nudeln
oder laugenbrezeln anstatt brot. gewand kaufe ich nicht so gern.
am wenigsten gern kaufe ich schuhe.
ich habe 3 paar schuhe, sandalen für den sommer, schuhe für
den übergang von kalt auf heiß oder heiß auf kalt und
schuhe für den winter. bei den winterschuhen beginnen sich die
sohlen zu lösen, das heißt, dass ich 2020 schuhe kaufen gehen
muss.
gewand kaufe ich immer second hand, außer unterwäsche und
socken. schuhe kaufe ich nie second hand.
pop kaufe ich auch oft second hand, bücher kaum.
ich kaufe nie bei amazon.
eigentlich sehe ich mit schutzmaske ganz gut aus.
ilse auch.
manchmal bleibe ich mit dem gummiband der schutzmaske an meinem hörgerät
hängen. ich trage zur zeit nur ein gerät, da das zweite einen
wackelkontakt hat. mit dem besuch bei meinem hörgeräteakustiker
lasse ich mir aber noch etwas zeit, schließlich soll man unnötige
kontakte meiden und ich komme auch ganz gut mit einem gerät durch
den alltag.
wie bitte?
(…)
wie bitte?
(…)
ich war beim hörgeräteakustiker und habe wieder beide ohren
zur verfügung. 22.04.2020. das ist gut so. alles ist wegen corona
abgesagt, lesungen, krilit und sonstiges, ich habe viel zeit zum musikhören
und das funktioniert mit zwei ohren eben doch besser.
krilit = kritische literaturtage.
die kritischen literaturtage hätten vom 08.05. bis zum 10.05. in
der brunnenpassage am yppenplatz stattgefunden.
abgesagt.
die kritischen literaturtage hätten vom 28.08. bis zum 30.08. in
der brunnenpassage am yppenplatz stattgefunden.
abgesagt.
die kritischen literaturtage werden nun höchstwahrscheinlich im
november stattfinden.
alle abgesagten veranstaltungen werden wahrscheinlich im november stattfinden.
egal. 2021 gehe ich in pension. im juli 2021 werde ich 65 jahre alt.
im juli 2021 werde ich meinen antrag auf pension stellen.
im jahr 2017 war ich zu einer veranstaltung, diskussion zum thema autorIn
im unruhestand eingeladen.
patricia brooks, hermann j. hendrich und fritz widhalm stellen sich
unter der gesprächsleitung von dr.in ruth aspöck
die frage, was es bedeutet, wenn schriftstellerInnen älter und
immer aktiver werden.
die veranstaltung fand im rahmen der projektwochen der evolutionsbibliothek
im wuk statt.
mein statement zum thema lautete:
unruhestand. klingt nett.
ist es aber nicht wirklich. unruhe ist der stand, der mich mein ganzes
leben lang begleitete, und mich höchstwahrscheinlich auch weiterhin
begleiten wird. das hat jetzt nicht wirklich mit meiner tätigkeit
als autor*in zu tun, nein, wirklich nicht, sondern eher mit der welt,
in der ich lebe, und mit der welt, die in mir lebt. egal. unruhestand
ist hier wohl mehr im bezug auf ruhestand, älter werden, alt werden,
oder umgekehrt, gedacht. bezieht sich mehr auf meine arbeit als autor*in
etcetera... punkt. auch damit fühle ich mich nicht so recht getroffen,
nein, mein weg zur autor*in war eher ein fluchtweg, ein weg, um der
arbeit zu entfliehen. ich wurde in eine proletarische familie hineingeboren
und bereits in der ersten klasse volksschule als arbeiter*in bezeichnet,
oder als prolet*in, wobei prolet*in immer abwertend zu verstehen war
und auch heutzutage noch meist so verwendung findet. mein vater war
linke prolet*in, ich war durchaus erfreut sein sohn zu sein. meine mutter
ist gläubige christ*in, das wurde in unserer familie eher belächelt,
aber durchaus toleriert. ja, ich bin durchaus erfreut ihr sohn zu sein,
obwohl mir jede art von glaube fremd blieb. mit fünfzehn jahren
begann ich meine ausbildung zur elektroinstallateur*in, doch ich sah
wenig sinn darin, zu arbeiten, während andere macht ausüben,
uns dieses machtausüben als arbeit schönreden und nie und
nimmer in den ruhestand gehen wollen. warum auch. ruhestand bedeutet
für diese menschen schlicht und einfach machtverlust und: wer will
das schon. scheiße... ich beendete mit neunzehn jahren meine laufbahn
als arbeiter*in. ich wurde autor*in, nein, nicht gleich, ich wurde freak.
das wort freak hat kein geschlecht und ich habe alle geschlechter, die
bereits benannten und auch die noch unbenannten. freak zu sein war anfänglich
noch sehr vom hippie sein geprägt, bald wurde es glam und schließlich
punk. autor*in zu sein, war immer nur ein teil meines seins, und es
gab und gibt wahrlich viele teile. egal. als autor*in bzw. künstler*in
lernte ich, mich durchzubringen, ohne allzuviele kompromisse zu machen,
obwohl ich nicht grundsätzlich gegen kompromisse eingestellt bin,
kommt immer und überall darauf an, wie sich diese kompromisse darstellen.
so weit so gut, ich bin jetzt einundsechzig jahre alt und habe mit sechzig
meine letzte literarische einzelpublikation "heute. ein letztes
buch" veröffentlicht, wahrlich wahrlich, es wird keine literarische
einzelpublikation mehr geben, die den namen fritz widhalm trägt.
was den teil meines daseins als autor*in betrifft, werde ich weiterhin
mit der autor*in ilse kilic an unserem, bereits auf zehn teile angewachsenen,
verwicklungsroman schreiben, ein work in progress, in dem wir unsere
gemeinsame biografie neu schreiben, neu erfinden, um die vorstellung
einer gerechteren welt in unseren gemeinsamen köpfen wach zu halten.
der verwicklungsroman wird mit dem ableben einer der daran schreibenden
personen sein ende finden. so ist es geplant, so wird es sein. ob ich
nun eine autor*in im ruhestand oder unruhestand bin, kann ich nicht
wirklich beantworten, würde aber durchaus beides für mich
in anspruch nehmen. wenn es so etwas wie eine poplinke gibt, bin ich
gerne bereit dazu, ein teil von ihr zu sein. in einem buch schrieb ich
mich als teil des arschproletariats nieder, ja, ich fühle mich
durchaus und des öfteren im arsch daheim. ich liebe ärsche
und ich verabscheue das schöne, das wahre, das gute und all ihre
gegenteile sowie den individualismus der begüterten. ich mag das
aufgeregtsein, meine wahrlich schwachen nerven und... rechtschreibfehler.
hmmm, man könnte mich auch als linke hysteriker*in zusammenfassen,
ja, und außerdem trage ich seit neuestem zwei hörgeräte
und kann euch alle wieder verstehen. was für ein gewinn.
ilse sagte, ich soll anstatt mein weg zur autor*in
war eher ein fluchtweg, ein weg, um der arbeit zu entfliehen besser
mein weg zur autor*in war eher ein fluchtweg, ein weg, um der lohnarbeit
zu entfliehen schreiben.
man hat mich in der schule aber nie lohnarbeiter*innenkind genannt,
antwortete ich.
ich meine das durchaus ernst, sagte ilse.
wie bitte?
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