Fritzchens Alterswerk

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heute, 24.04.2022, gehe ich ins theater. ich gehe nicht gern ins theater. theaterbesuche lassen mich oft grantig zurück. okay, es gibt seltene ausnahmen, die auch der grund dafür sind, warum ich mich immer wieder mal auf einen theaterbesuch einlasse. ilse hat karten reservieren lassen, genaugenommen hat ilse unsere freundin rica fuentes martinez gebeten, karten zu reservieren. noch freue ich mich nicht darauf. ich habe aber ein bisschen nachgelesen und herausgefunden, dass es sich nicht um eine 'normale' theateraufführung handelt, sondern mehr um bespielte stationen innerhalb einer ausstellung. eine vr-brille kommt angeblich auch zum einsatz. ich versuche den gedanken von mir fernzuhalten, dass es mir nicht gefallen wird. ein solcher gedanke kommt mir nicht gerade sinnvoll vor. und er würde auch nichts an der tatsache ändern, dass ich heute um 20 uhr ins theater gehen werde. titel und thema, irgendwie geht es um krankheit, wenn ich mich recht entsinne, habe ich sofort wieder aus meinem gedächtnis gestrichen. egal. ich geh einfach hin, setze brav meine vr-brille auf und los gehts. was soll schon groß passieren, vielleicht entpuppt sich das geschehen als besser, als die ankündigung mir zu befürchten anlass gibt.
closevr = virtual reality
ich schlendere gern durch gegenden, um welche gegenden es sich dabei handelt, ist eigentlich nicht so wichtig.
klar, autobahn ist nicht so meins, aber auf der autobahn darf man sowieso nicht schlendern. und sollten wir irgendwann so weit kommen, dann ist es keine autobahn mehr.
als kind bin ich gerne den schienen der eisenbahn entlang geschlendert. mit großen schritten von holzschwelle zu holzschwelle steigend und den geruch des imprägnieröls einsaugend. die bahnstrecke war nicht sehr befahren, sie führte von pöchlarn über scheibbs nach kienberg-gaming. dort konnte man in die schmalspurbahn umsteigen und über lunz am see bis waidhofen an der ybbs fahren.
die strecke von kienberg-gaming nach waidhofen an der ybbs wurde 2010 von der ÖBB eingestellt. ebenso die strecke von scheibbs bis kienberg-gaming.
in meiner kindheit wurde dieser zug noch von einer dampflokomotive gezogen. die dampflokomotive schnaubte lauthals heran und ich verließ die schienen und winkte den leuten im vorbeifahrenden zug.
mein geburtshaus, gaisberg 11, stand nur einige meter von dieser bahnstrecke entfernt. mein geburtshaus wurde irgendwann abgerissen, es war klein und schon in meiner kinderzeit etwas heruntergekommen. mir hat es trotzdem sehr gut gefallen. obwohl es wenig raum bot, bewohnte meine familie es mit der dreiköpfigen familie der hausfrau. als kind glaubte ich, der name der familie lautete hausfrau, so wie meine familie auf den namen widhalm hörte. doch es gab keine familie hausfrau in gaisberg, die frau wurde hausfrau genannt, weil ihr das kleine haus gehörte. einen hausherrn gab es nicht. die hausfrau bewohnte mit ihren beiden töchtern 2 kleine räume des hauses. unsere familie, die damals aus 6 personen bestand, bewohnte ebenfalls 2 kleine räume des hauses. und hinter dem haus lag der garten. und hinter dem garten fuhr die eisenbahn vorbei. der klang und der geruch der dampflokomotive war mir als kind sehr vertraut.
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die liliputbahn im wiener prater fährt noch immer mit dampflokomotiven, liliputdampflokomotiven. nein, nicht immer, es sind auch diesellokomotiven auf der 4 kilometer langen strecke im einsatz.
tschu tschu tut tut töff töff.

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das theater war kein theater, sondern mehr eine ausstellung mit virtual-reality-anteil.
closehoelb/hoeb & internationale gesellschaft für verlust
closeLOSS_expands - coping with grief
closeanaloge und digitale wahrnehmungsräume
closein deutscher und englischer sprache
krankheit war auch nicht wirklich das thema, es ging mehr um trauer, trauerarbeit und so.
LOSS_expands - coping with grief ist ein offenes experimentierfeld, das codierungen, chiffren und schnittstellen zwischen alltag und kunst visualisiert und zugleich unterschiedliche trauerprozesse in einem vexierspiel von nähe und distanz, wechselnden perspektiven und assoziativen verbindungen zeigt.
naja, insgesamt war das ganze ein bisschen mager.
im anschluss gabs noch ein gespräch. am podium saßen auch 2 ältere frauen, eine davon war palliativpflegerin, die zweite glaube ich auch, aber da bin ich mir nicht sicher.
diese 2 älteren frauen machten das gespräch interessant für mich und als eine der beiden anmerkte, wie wichtig es ist, für diesen themenbereich eine öffentlichkeit zu schaffen, änderte ich meine meinung und fand die ausstellung gut.
nein, nicht wirklich, aber ich fand gut, dass sie stattfand und ich und hoffentlich auch viele andere menschen sie sehen konnten.
hmm, die 2 älteren frauen waren anscheinend noch berufstätig, also mit großer wahrscheinlichkeit jünger als ich alter depp, der bereits 433,15 euro pension monatlich bezieht.
gestern, 28.04.2022, haben ilse und ich im rahmen der veranstaltung "die wirklichkeit als unsicherer ort" in der ÖGL (Österreichische Gesellschaft für Literatur) wieder mal aus unserem verwicklungsroman gelesen. der verwicklungsroman muss präsentiert werden, da er geschrieben wird, also wird es mit meiner idee, dass es nur mehr eine fritzlesung pro jahr geben wird wohl nichts werden, oder soll ich einfach ilsefritzlesungen von dieser idee ausnehmen, also lesungen aus dem verwicklungsroman nicht mitzählen.
ich werde darüber nachdenken.
übrigens, ich liebe ältere menschen, mein älterer mensch heißt ilse.
übrigens, ich habe gestern nach der lesung zu viel bier getrunken und mein kopf fühlt sich heute merkwürdig leer an.
übrigens, unser neuer comic über konrad berger ist bald fertig, eine zeichnung fehlt noch und über den titel sind wir uns noch nicht ganz einig.
ich habe "konrad berger, eine (er)findung" vorgeschlagen, aber irgendwie stört uns das er.
"konrad berger, eine findung" wäre okay, aber ganz zufrieden sind wir noch nicht damit.
close
lang lebe konrad berger, yeah.
lang lebe conny berger, yeah.
konrad bzw. conny ist inzwischen auch schon schön alt, 68 jahre und 23 tage. konrad bzw. conny lebt heute am rande wiens in nö.
im november 2009 führte die studentin alexandra bogner ein interview mit konrad berger.
alexandra: gibt es den ort scheiterbichl wirklich?
konrad: klar, scheiterbichl gehört zur gemeinde st. martin-karlsbach und liegt in niederösterreich.

konrad berger ist 1954 in scheiterbichl geboren. so ist es, auch wenn die wikipedia behauptet, dass er 1945 in st. pölten geboren wurde und konrad manchmal behauptet, in poldevien das licht der welt erblickt zu haben.
frosch, ein gedicht von konrad berger:

closeheut
closeübt er wie ein
closepferd so
closeforsch

closeheut
closeüberspringt das
closepferd den
closefluss

closeheut
closeüberrascht der
closepurzelbaum den
closefrosch

closeplatsch da liegt er
closeach keine
closerose ohne
closedornen
closeaber
closeumwege
closezum zaun

close+

closeheut
closeübt er wie ein
closepferd so
closeforsch

closeheut
closeüberspringt das
closepferd den
closefluss

closeheut
closeübertreibt das
closeprinzip die
closefurcht

manchmal besuche ich konrad in nö und wir trinken bier und vergleichen die anzahl der falten auf unseren stirnen.
beim abschied singen wir gemeinsam:
closekonrad!, sprach die frau mama,
closeich geh aus und du bleibst da.
closesei hübsch ordentlich und fromm,
closebis nach haus ich wieder komm.
closeund vor allem, konrad, hör!
closelutsche nicht am daumen mehr.
der schneider mit der scher' hat uns trotz wiederholten daumenlutschens nie aufgesucht.

(…)
ilse war heute das erste mal schwimmen.
das erste mal im jahr 2022, meine ich.
02.05.2022.
ich war mit, aber nicht schwimmen.
wir sind vormittags ins kongressbad gefahren.
wir waren nicht die einzigen, die diese idee hatten, aber viele waren es nicht.
insgesamt habe ich 8 leute gezählt, 7 davon sind geschwommen und eine frau ist die ganze zeit auf einem liegestuhl in der sonne gelegen.
ich bin auf einer bank im schatten gesessen und habe ilse beim schwimmen zugeschaut.
ein paar fotos und einen kurzen film habe ich auch von ilse im wasser gemacht.
close
ilse ist eine gute schwimmerin, schnelle schwimmerin ist sie keine.
ich bin keine schnelle schwimmer*in.
ich bin keine gute schwimmer*in.
ich bin keine schwimmer*in.
ich wandere, manchmal zumindest.
close
dieses foto zeigt mich beim wandern in purkersdorf, na ja, genau genommen zeigt es mich beim pause machen.
pause machen ist wichtig.
pause machen lässt mich gut aussehen.
ich mag pause machen.
i like to take a break, yeah.

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überall bei den straßenbahnhaltestellen hängen jetzt plakate mit dem konterfei des wiener bürgermeisters michael ludwig und dem spruch: entschlossen den wiener weg gehen.
da kann man leider nur mit "nein danke" darauf antworten.
der wiener weg durch die coronakrise war okay und wird es hoffentlich auch bleiben, corona ist ja leider noch nicht vorbei, obwohl viele so tun, als wäre es so.
die wiener verkehrspolitik ist nicht mein weg und eher zum fürchten. immer neue straßen zu bauen, um das verkehrschaos in den griff zu kriegen, ist umweltpolitisch ein no go und didelDUMM.
und was den wiener weg betrifft, okto tv die basissubventionen zu streichen, ist auch nicht wirklich nachvollziehbar.
wir können nicht nachvollziehen, dass gerade in zeiten, wo medienfreiheit sich als wichtiges standbein demokratischer prozesse erweist und redaktionelle medien durch soziale plattformen in die krise geraten, ausgerechnet eine sozialdemokratische stadtregierung die förderungen für ein so wichtiges medienprojekt kürzt, das nicht der profitgier und der sensationslust folgt, sondern die möglichkeit zur kritischen auseinandersetzung bietet - ob im politischen, sozialen oder künstlerischen feld.
die grazer autorinnen autorenversammlung (gav), die versammlung, der ich nun seit 34 jahren angehöre, hat gegen diese vorgangsweise protestiert.
viele andere organisationen und personen auch.
eva blimlinger, mediensprecherin im grünen parlamentsklub:
in der stadt wien wird mit zweierlei maß gemessen. jahr für jahr verpulvert sie millionen an steuergeld für inserate und schleust diese teils geschickt, teils weniger geschickt, an der medientransparenzdatenbank vorbei, insgesamt pumpt wien über 30 millionen euro jährlich in werbung, am geld dürfte es also nicht liegen, dass förderungen für qualitätsmedien gestrichen werden.
"nein danke", der wiener weg ist nicht so gut, dass wir ihn unhinterfragt geschlossen mitspazieren wollen.
o herr ludwig, es gibt immer viel zu lernen, auch für bürgermeister.

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