Anthony & The Johnsons: "Mysteries Of Love" (2001) |
Nochmals Antony & The Johnsons, dieses Mal mit dem Song "Mysteries Of Love" von der 2001 bei Durtro Records erschienenen Maxi-Single "I Fell In Love With A Dead Boy / Mysteries Of Love / Soft Black Stars". Diese Maxi-Single wurde in der Besetzung Antony Hegarty (Vocals, Piano), Julianne Klopotic-Johnson (Violin), Maxim Moston (Violin), Joan Wasser (Viola), Julia Kent (Cello), Steve Brown (Bass) und Todd Cohen (Drums) eingespielt. Joan Wasser ist vielen von euch wahrscheinlich unter ihrem Pseudonym Joan As Police Woman besser bekannt. Antony Hegarty: Als 'transgender person' bin ich ja schon außerhalb der üblichen Systeme geboren, abseits familiärer Erwartungen beispielsweise. Überall auf der Welt werden Kinder 'transgender' geboren und mit männlichen oder weiblichen Rollenmodellen konfrontiert. 'Transgender' ist sozusagen das Ursprüngliche, das Wilde in dir, bevor es von der Gesellschaft, vom System in die Konformität überführt wird. Und Konformität ist kein fruchtbarer künstlerischer Standpunkt. Eine lebhafte 'transgender'-Indentität setzt sich gegen gesellschaftlich abgesegnete Erwartungen durch. Wer 'transgender' lebt, der tut das auch im Angesicht der offenen Ablehnung durch die Gesellschaft. Das ist es, was 'transgender' so wild und unberechenbar macht. Die meisten Leute wollen einfach verzweifelt akzeptiert werden, anstatt zu sein, was sie sind. Sie versuchen daher oft ein Leben lang, ihr Vater, ihr Bruder oder ihre Mutter 'zu sein'. Eine 'transgender person' dagegen ist, was sie ist, und als solche fast schon eine Botschaft der Natur. Das geht sehr tief, das wurzelt ja schon in der Sprache. Das sagte Antony Hegarty in einem Interview mit dem Musikexpress-Autor Arno Frank, der am Anfang des Artikels "Der graue Schwan Antony Hegarty" ins Schwärmen kommt: Diese Stimme. Diese Stimme. Diese Stimme steht so verstörend fragil und verzaubernd elegant in der Welt wie eine Lilie auf einer Müllkippe. Und genauso ungeschützt, ungebrochen von Zynismus oder Ironie oder dem Dreck ringsum. Ich mag die Stimme von Antony Hegarty auch sehr gerne, obwohl ich solchen Schwärmereien grundsätzlich skeptisch gegenüberstehe. Außerdem besteht die Musik von Antony & The Johnsons aus mehr als Antonys Stimme. Inzwischen hat sich Antony in Anohni umbenannt und macht auch ganz andere Musik als mit den Johnsons, war es vorher kunstvoller Indie-Pop, ist es nun eher kunstvoller Electronic-Pop. Klar, Antonys oder Anohnis Stimme hat einen hohen Wiedererkennungsfaktor, aber die Musik, die sier macht, ist deshalb nicht weniger wichtig und nicht bloßes Beiwerk, wie sie von manchen Musikjournalist*innen behandelt wird. Auch Marc Bolan alias Mark Feld hatte eine unverwechselbare Stimme und trotzdem war der Glamboogie von T.Rex ein wesentlicher Teil des Erfolgsrezepts. Okay, hört Antony & The Johnsons oder Anohni und werdet unglücklich glücklich oder glücklich unglücklich. Zuletzt erschien von Anohni 2023 das Album "My Back Was A Bridge For You To Cross". Yeah, und die Johnsons sind auch wieder mit dabei. Die neuen Johnsons sind Rob Moose (Violin, Viola), Gabriel Cabezas (Cello), Alex Sopp (Flute), William Basinski (Saxophone), Martin Slattery (Piano, Organ, Saxophone, Percussion), Jimmy Hogarth (Guitar), Leo Abrahams (Guitar), Sam Dixon (Bass) und Chris Vatalaro (Drums). Hört euch bei youtube auch den tollen Song "Interferenzen" 1955 von Giselher Klebe an. Giselher Klebe war ein deutscher Komponist, er starb 2009 im Alter von 84 Jahren. Der Song ist auf der 2013 beim Label Fantastic Voyage erschienenen 3-CD-Compilation "High Voltage! Giant Steps And Flashpoints In 20th-Century Experimental & Electronic Sound" zu finden. Darauf finden sich Musiken wie "Ionisation" von Edgar Varèse, "Magnetic Field" von The Blue Men, "The Forbidden Planet" von Louis & Bebe Baron oder "Composition For Synthesizer" von Milton Babbitt. Sehr empfehlenswert, obwohl man wieder Mal auf die elektronischen Pionierinnen wie Daphne Oram, Delia Derbyshire, Suzanne Ciani oder Éliane Radigue vergessen hat. Schade. 16.11.2025 |