Die Tödliche Doris: "Der Tod ist ein Skandal" (1981)


So, ein drittes Mal die Tödliche Doris mit dem Song "Der Tod ist ein Skandal". Gregor Kessler: 'Der Tod', sang das Berliner Künstler-Kollektiv Die Tödliche Doris 1981, 'ist ein Skandal'. Andere sollten bald folgen. Nicht genug damit, dass die Gruppe um Wolfgang Müller treibende Kraft der tabu- und virtuositätslos den hauptstädtischen Untergrund beschallenden Bewegung der Genialen Dilletanten war, rasch eignete sie sich auch weitere Kulturfelder an. Schon bald traf man die Tödliche Doris als Malerin, als Fotografin, Performance- und Videokünstlerin in Klubs und Galerien zwischen New York, Warschau und Helgoland. 'Die Tödliche Doris', erkannte Dietrich Kuhlbrodt bereits 1982 in der Frankfurter Rundschau, 'ist immer dort, wo du sie nicht erwartest'. Wolfgang Müller hat 2013 das lesenswerte Buch "Subkultur Westberlin 1979-1989" bei Fundus veröffentlicht. In diesem Buch schreibt er zusammenfassend über die Tödliche Doris: 1980 konnte ich meinen Kommilitonen Nikolaus Utermöhlen davon überzeugen, statt weiter vor sich hinzuzeichnen, mit mir eine Musikgruppe zu gründen: Die Tödliche Doris. Wir studierten bei Prof. Ramsbott an der Berliner Hochschüle der Künste im Fachbereich Visuelle Kommunikation / Experimentelle Filmgestaltung. Chris Dreier, die ebenfalls in unserem Fachbereich studierte, schloss sich ein paar Monate darauf unserer Band an. Weitere Menschen beteiligten sich später: der Musiker Max Müller, die Schauspielerin Tabea Blumenschein, die nach Westberlin exilierte Dresdener Kunststudentin Dagmar Dimitroff und 1982 schließlich die gelernte Arzthelferin und Hausbesetzerin Käthe Kruse. Die Post-Punk-Szene verhielt sich in dieser Zeit künstlerischen Experimenten gegenüber sehr offen. Dort herrschte eine große Neugier, völlig im Gegensatz zur sich als professionell verstehenden, kommerziell wirtschaftenden Galerienszene. Im offiziellen Kunstbetrieb hatten meist nur sehr anpassungswillige und -fähige junge Künstler und Künstlerinnen eine Chance, wahrgenommen zu werden. Funktionierten sie nicht so, wie der Betrieb es von ihnen erwartete, brachten sie der Galerie keine Rendite, dann folgte schnell ihre Entsorgung. Wesentlich größeren Freiraum versprach da der Musikbereich, insbesondere der um die Post-Punk-Szene. Außerdem war es dort genauso möglich, etwas zu gestalten und zu formen. Mit Die Tödliche Doris konnten Zeit, Klang, Räume, Erwartungen, Erinnerungen, Verdoppelungen, Verschiebungen, Erweiterungen, Wandlungen, Hoffnungen, Stimmungen, Alltägliches und anderes künstlerisch thematisiert werden, ohne dabei allzu große Rücksicht auf die finanzielle Verwertbarkeit des Endprodukts zu nehmen. In Verbindung mit Materialien wie Vinyl, Audiotapes, Schlagzeug, Kleidung oder Lippenstift setzten sich verschiedene Gestaltbildungen in Gang. Heute bin ich das einzige noch existierende Dauerschleifgetriebe der Künstlergruppe Die Tödliche Doris, die von 1980 bis 1987 von wechselnden Besetzungen verkörpert wurde. Ich habe Wolfgang Müller bei einem Konzert in Wien kennengelernt und bei einer Lesung von Ilse und mir in Berlin wiedergetroffen, yeah, ich mag ihn und Die Tödliche Doris auch, sehr sogar. Der Song "Der Tod ist ein Skandal" ist auf der 1999 bei Pissplottplatten erschienenen Doris-Compilation "Der siebenköpfige Informator, das typische Ding und mehr" zu finden, yeah, hört Tödliche Doris, lest das Buch von Wolfgang Müller und freut euch des Lebens, soweit mit Corona möglich. Im Jahr 2019 haben wir dann Wolfgang Müller zu einer Veranstaltung in die Alte Schmiede nach Wien eingeladen. Es war ein schöner Abend mit ihm. Ilse und ich waren natürlich auch super und okto.tv war auch noch mit dabei. Toll, toll.

16.12.2020