(…)
ich habe die laden meines schreibtisches aufgeräumt und ein gedicht gefunden. ein gedicht von mir, an das ich mich nicht mehr erinnern konnte.
heute ist der 12.05.2021, ein mittwoch.
das gedicht ist handgemalt. ich schreibe meine texte nicht mit der hand, wenn ich meine hände zum dichten verwende, male ich den text. ich habe keine handschrift. ich will auch keine haben. ohne handschrift fühle ich mich einfach besser.
closegruppensexualleben
closehomosexualleben
closeoder pfeifend
closesingend
closewachsen
closelang wachsen
closeeinen ganzen
closehäuserblock
closeum ihn dann gefährlich
closeanzulächeln
irgendwie mag ich mich, manchmal mehr und manchmal weniger. gerne behaupte ich von mir, bisher ein auf- und anregendes leben gehabt zu haben. ich werde sehen, wie es weitergeht.
ich werde sehen.
ich werde riechen.
tasten und schmecken.
hören werde ich mein weiteres leben nicht mehr so gut.
(...)
heute, 19.05.2021, haben die gast-, wirts- und caféhäuser nach langer coronapause wieder aufgesperrt. die gastgärten blieben aber ziemlich leer, da das wetter sich nicht gerade von der sonnigen seite zeigte.
regen, regen, regen.
ilse und ich wagten in einer regenpause einen kurzen spaziergang mit coffee-to-go im alten akh. gastgarten kam nicht in frage, da wir unsere impfpässe zu hause vergessen hatten. an das impfpassmitführen muss man sich erst gewöhnen. coffee-to-go ist aber auch nett, man braucht nur einen netten park oder zumindest eine nette bank zum glücklichsein. coffee-to-go ist aber nicht unbedingt billiger, als eine melange im caféhausgastgarten.
auch die livekunst durfte heute wieder ihren betrieb aufnehmen, mit vielen beschränkungen zwar, aber immerhin.
ich freue mich.
ich gewöhne mich.
immer mit der ruhe, sage ich.
(...)
ilse und ich spazieren oft und gerne kreuz und quer durch wien. dabei entdecke ich motive für meine fotoserie "ilse schau, kunscht!".
nicht immer, aber immer wieder.
zum beispiel dieses firmenschild für einen fight club mit zwei boxern und einer boxerin.
close
die beiden herren boxen merkwürdigerweise mit hemd und krawatte, wahrscheinlich sind es die boxenden manager.
der eingang zum frauenboxen befindet sich um die ecke.
dieses bild auf leinwand und in ölfarben würde das herz jedes kunstsammlers, jeder kunstsammlerin schneller schlagen lassen. signiert müsste es natürlich sein.
ich würde mir das bild auch sofort ins fröhliche wohnzimmer hängen. ich liebe es, dinge um mich zu haben.
schöne dinge.
schöne hässliche dinge.
hässliche schöne dinge.
hässliche dinge.
das fröhliche wohnzimmer ist voller dinge, die ich von zeit zu zeit liebevoll betrachte, die mich von zeit zu zeit liebevoll betrachten.
ilse ist kein ding, obwohl ich sie auch von zeit zu zeit liebevoll betrachte und mir wünsche, dass auch sie mich von zeit zu zeit liebevoll betrachtet.
hmm, es gibt auch den ausdruck ein lebendes ding.
ilse ist ein lebendiges dingsda und gemeinsam sind wir ein lebendiges dingsdada.
(...)
ein gedicht ist ebenfalls ein lebendiges dingsdada.
closeich trage
closeeinen raum
closeim kopf
closeeinen raum
closevon der größe
closeeines kinos
closewas gibt es sonst noch
closeüber mich zu erzählen?
closeich bin mir sicher
closefliegen zu können
closeobwohl das fliegen
closeimmer das risiko der traurigkeit
closein sich birgt
closedas schwimmbecken
closeist zweieinhalb meter tief
closeund es scheint
closeals wären die vögel
closeunter wasser zu hause
ich weiß nicht, wie man die trauer ernstnimmt, vielleicht genügt es, traurig zu sein, sagt ilse.
(...)
klopf. ich bin kein trauriger mensch, es reicht mir, von zeit zu zeit traurig zu sein.
klopf. von zeit zu zeit stelle ich mir mixtapes zusammen. ich mag mixtapes. meine mixtapes überraschen mich, nicht sofort, aber bald. in meiner jugend war es üblich, sich gegenseitig mixtapes aufzunehmen. damals noch auf kassetten, jetzt mache ich es auf cdrs. für mich. es gibt niemand mehr, der mir mixtapes aufnimmt. es äußert auch nur mehr ganz selten jemand das verlangen nach einem von mir zusammengestellten mixtape. was solls, von zeit zu zeit bin ich eben traurig und wenn ich traurig bin, stelle ich mir ein mixtape zusammen.
heute habe ich mir ein mixtape zusammengestellt.
27.05.2021.
das mixtape trägt den titel "cosmic melody":
closecookie kawaii: "vibe pt.1,2&3" (2020)
closelil nas x feat. billy ray cyrus: "old town road" (2018)
closemfsb.: "love is the message" (1973)
closemauricio kagel: "transición 1" (1958)
closekirk nurock: "skating in central park" (2019)
closeconstellation orchestra: "cosmic melody" (1978)
alle meine mixtapes sind in so um die 40 minuten lang. es hätten auf einer cdr zwar mindestens 70 minuten musik platz, aber für mich ist ein mixtape so etwas wie eine langspielplatte. als ich noch mixtapes auf kassetten zusammenstellte, verwendete ich ausschließlich C-60 kassetten. C-60 war okay. C-90 war zu viel und C-120 viel zu viel. manchmal stellte ich auch für jemand eine doppel-C-60 zusammen.
eine doppel-C-60 ist nicht vergleichbar mit einer C-120.
ein mixtape ist eine art collage, jeder teil muss aufeinander abgestimmt werden, damit ein neues ganzes entsteht.
wie sagte der merzkünstler kurt schwitters vor inzwischen vielen jahren: kunst ist form. formen heißt entformeln.
ich bin heute etwas müde.
gestern habe ich meine zweite covid-19-impfung verabreicht bekommen.
ein gedicht geht sich aber noch aus:
closewholeness
closewake
closewords
closewords
closewords
closeworks
(...)
kreuzschmerzen kannte ich bisher nur von erzählungen, jetzt kenne ich sie persönlich. das alter bringt viele neue bekanntschaften ins eigenheim, nicht alle davon sind liebenswert. ich bemühe mich.
das wetter ist seit wochen nass und trüb.
nass und trüb ist nicht gut für den rücken.
zumindest für meinen rücken.
soll ich du zu meinen rückenschmerzen sagen?
der orthopäde ist zuversichtlich.
zu ihm sage ich nicht du.
closeich und du, müllers kuh,
closemüllers esel, das bist du.
müllers esel hatte wahrscheinlich auch kreuzschmerzen, da er die schweren mehlsäcke schleppen musste.
müllers kuh hingegen stand den ganzen tag auf der weide, wiederkäute und abends wurde sie gemolken.
in eineinhalb monaten werde ich 65 jahre alt.
die ärztin bei der covid-19-impfung tat so, als wollte sie nicht glauben, dass ich in eineinhalb monaten 65 jahre alt werde.
ich war spontan erfreut.
spontanität ist oft ziemlich blöd.
fritz auch. heute bin ich mehr meine kreuzschmerzen, was aber auch ziemlich blöd ist.
traurig bin ich trotzallem nur von zeit zu zeit.
(...)
von zeit zu zeit.
ende der 80er jahre, vielleicht war es auch anfang der 90er jahre, habe ich im fröhlichen wohnzimmer eine videokassette mit meinen ersten 3 super-8-filmen veröffentlicht.
veröffentlicht ist fast eine übertreibung. die auflage war gering und wurde damals hauptsächlich an freund*innen und fans des hauses wohnzimmer verschenkt.
die videokassette enthielt die filme "hopLALA DADAnce", "privat!" und "slap!".
hmm, "slap!" habe ich erst 1992 fertiggestellt, also muss die videokassette 92 oder 93 herausgekommen sein.
eine kassette davon schickte ich nach frankreich zu jean-louis costes, der damals das label costes cassette betrieb. wir tauschten schon seit einigen jahren musikkassetten aus eigener produktion und manchmal schickte mir costes auch videokassetten von seinen performances.
costes gefielen meine filme, die, wie seine performances, viel mit sex zu tun hatten, und er fragte an, ob er einige kopien ziehen und an seine fans weitergeben könne. ich war gerne einverstanden und so wurde ich auch in frankreich weltbekannt.
die 3 filme liefen auch im rahmen der von clemens feigel organisierten veranstaltungsreihe "erotiKreativ" im in- und ausland. bei einer vorführung in der schweiz brannte der oder die vorführer*in bzw. der projektor ein loch in "hopLALA DADAnce". es war ein schönes brandloch und ich erklärte es zur künstlerischen absicht.
die super-8-originale befinden sich nun im lager des filmarchiv austria und werden dort gehegt und gepflegt. die videokassette gab irgendwann den geist auf, meine 2 videorekorder ebenso.
einer davon wurde vom blitz getroffen. ich weiß, das klingt unglaubwürdig, aber es ist so geschehen.
das cover der videokassette befindet sich aber noch in meinem archiv.
close
das foto von mir hat ilse gemacht. es stammt aus einer serie, die dann vollständig in meinem gedichtband "ich bin ganz normal" platz fand.
ich bin ein schöner fritz. damals und heute. ich bin ein schöner fritz. manch fritz ist ein mann, manch fritz ist eine frau, ich bin einfach ein fritz.
closeblitz
closeschlitz
closesitz
closespitz
closespritz
closewitz
ich bin einfach ein witz.
(...)
ich finde es schön gemeinsam mit meinem alterswerk zu altern. ich finde es schön gemeinsam mit ilse zu altern. ich finde es schön gemeinsam mit unserem gemeinsamen verwicklungsroman zu altern.
danke alterswerk!
danke ilse!
danke verwicklungsroman!
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