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dieses bild zeigt hansjörg zauner, mich und ilse bei einer lesung im amerlinghaus. das kind auf ilses schoß heißt bibi, es ist das kind eines befreundeten paares. inzwischen ist bibi erwachsen, wir haben keinen kontakt mehr, weder zu ihr, noch zu den eltern. bibi war ein reizendes kind.
ilse und ich haben in den 80er jahren viel zeit mit hansjörg verbracht, gemeinsame lesungen und gemeinsames biertrinken im café merkur.
hansjörg ist 2017 im alter von 57 jahren verstorben. ich zitiere hier ein gedicht von ihm, das 1987 im buch "stellen sie den champagner kalt" erschienen ist. "stellen sie den champagner kalt" war das dritte buch, das in unserer edition das fröhliche wohnzimmer erschienen ist und enthält gedichte von ilse, mir und hansjörg.
closeregennetz fing weite lichter weitere
closeim fangen weiteres regnete (das)
closewie im nennen das regennetz
closehaengt weitere und weiteres (licht)
closeda haengt das weitere
closeda haengt das regennetz
closeim (auch weiteres)
closediese weitung bleibt haengen
closebleibt das bleiben (licht?)
closewas und was im was (regnete)
closewas weiter fing (…)
closemein haengen im bleiben (blieb)
closeODER MEIN REGENNETZ
closealso diese lichtfaltung (von bleiben)
closeBLIEB
das cover des buches ziert eine von mir gezeichnete gelbe champagnerflasche.
(…)
es hat zu regnen aufgehört.
(…)
der frühling kommt. ilse und ich haben ein neues kaffeehaus entdeckt. laus und maus. es ist gleich beim währinger park. der kaffee ist okay, der karottenkuchen ist sehr gut. früher war ich bei karottenkuchen immer sehr skeptisch, gemüse in der mehlspeise machte mich misstrauisch. ich wurde eines besseren belehrt. das schild über der tür zeigt eine maus und einen hasen, also laus scheint der name des hasens zu sein. na ja, das schild ist nicht sehr gelungen, ich wähle meist einen tisch im garten, von dem aus ich das schild nicht sehen kann. ansonsten ist das kaffeehaus aber sehr sehr angenehm. dahinter ist ein alter jüdischer friedhof, der einmal pro monat zur besichtigung geöffnet ist. wir haben bisher nur über die mauer geschaut, dabei muss man aber sehr vorsichtig sein, weil die mauer oben mit spitzen glasscherben bestückt ist, was irgendwie beängstigend wirkt. aber wahrscheinlich hat man schlechte erfahrungen mit neonazis gemacht, was ich mir durchaus und gut vorstellen kann.
manchmal schäme ich mich dafür ein mensch zu sein.
so, ilse und ich gehen jetzt zur demo gegen den krieg in der ukraine.
ja, ich schäme mich auch für menschen, die bei demonstrationen gegen die corona-maßnahmen mit diktatur-taferln in den händen herumlaufen. sie sind einfach nur lächerlich.
es gibt wahrlich viele menschen, denen ich liebend gerne kräftig in den arsch treten würde.
(…)
ich bin der meinung, dass der arsch der schönste teil des menschen ist, sagt der dichter widhalm fritz.
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als die welt meinen arsch erblickte, hielt sie für einen kurzen moment die luft an.
mein arsch ist mein zeuge.
ich finde, dass ärsche unglaublich komisch aussehen, wenn sie stolpern. sie sind entzückend, wenn sie sich verknoten, in der luft rudern oder ihre fassung verlieren.
ich finde ärsche zeitlos schön, sie sind für mich der inbegriff von schönheit.
doch es gibt tage, an denen mein arsch zweifelt, ob ich ihn retten würde.
meine liebe zu ärschen bedeutet für mich, dass ich selbstverständlich auch keinen trete.
ob mit mir alles in ordnung ist?
(…)
14.03.2022. montag. von zeit zu zeit miste ich die laden meines schreibtisches aus. ich liebe es zu entsorgen. in der lade links oben habe ich ein textfragment für die von patricia brooks organisierte veranstaltungsreihe "radio rosa" gefunden.
ich habe bisher drei mal an "radio rosa" teilgenommen.
closenummer drei: eine welt ohne augen 2009
closenummer fünf: rauschen - inside fritz 2011
closenummer zehn: reloaded 2016
das textfragment trägt den titel RADIO ROSA: Ich glaube, ich werde heimgehen. Ich bin müde. und wurde für radio rosa nummer drei geschrieben. nach kleinen zwistigkeiten verließ eine*r der autor*innen das vierköpfige team und wir stellten das konzept nochmals um, sodass das textfragment in der endgültigen version keinen platz mehr fand. radio rosa nummer drei war das einzige radio rosa, das nur mit 3 und nicht wie vorgesehen mit 4 autor*innen zur aufführung kam. soll vorkommen, ich persönlich war nicht sehr an diesen zwistigkeiten beteiligt, obwohl als teil des teams sicherlich involviert. was solls.
aus der luft gegriffen: Es ist irgendwie jämmerlich. Natürlich. Es ist jämmerlich. Es ist natürlich nur meine Ansicht, aber meiner Meinung nach gibt es nur eine Möglichkeit, soviel Fett an sich zu haben, dass man das Geschlecht nicht mehr erkennen kann.
on air: Bewundern muss ich mein Gesicht und den übrigen Körper kann ich gerade noch als Umriss in dem Fettbettchen wahrnehmen.
piratensender: Ich bin doch kein geübter Schwimmer. Es ist ziemlich wichtig und es wird gut sein, wenn ich untergehe.
streaming: Ich habe nicht die Absicht mir die Hand beim Köpfespalten zu verwunden. Ich bin ein Mensch, für den ich kein Verständnis habe.
da sagt wer irgendwas: Oh, oh, Fritz. Wo fehlt's denn? Was tut denn weh?
ich hör stimmen: Fritz! Auf die Hormone kommt es an. Auf die Hormone kommt es an. Sind sie nicht wundervoll. Sind sie nicht wundervoll.
live screaming: Warum kann ich mich nie um die Angelegenheiten anderer Leute scheren und mich in Ruhe lassen?
theater des verhinderns: Egal... egal... und drehe die verschiedenen Wahrheiten in den Händen. Um und um, um und um, Fritzchen klein, ging allein, locker die Hände, um und um.
radio des verhinderns?: Der Magen dreht sich mir um. Ich bin gar keine so schlechte Wahrheit.
was werden wir verhindern?: Nehmt es leicht, Kinder. Ich brauche Ernüchterung. Ernüchterung. Verhinderung kneift mich in den Popo. Das regt mich auf.
aufmersamkeit?: Warum zucken wir nicht die Achseln? Warum nicht?
werbung: Sitzen und Träumen ist Arbeiten und Tun. Meine Zeit ist um... und um.
radio als ständige quelle von skepsis und ärger: Es klingt wie ein Haufen Scherereien, aber genau genommen ist es das nicht. Es klingt wie meine eigenen Angelegenheiten, aber auch das ist es nicht. Es ist eher wie noch viel Zeit zum Sonnenuntergang und tausende dampfender Würstchen zugleich.
bildlastiges radio: Ich nehme mich an der Hand, damit ich mir nicht davonlaufen kann.
IM RADIO SIEHT MAN DAS BILD DURCH DAS OHR: Der Mensch da will mich anschauen, wenn ich nicht probiere, ihn anzuschauen. Warum nur soll ein Mensch einen anderen anschauen?
nachrichten von einem verhinderten planeten: Wir haben keinen Kopf zu verlieren. Wo ist der Hut begraben?
den status des planeten aberkennen: Wie geht es meinen Beinen? Weiss nicht. Sie tun verflucht weh.
verhinderung 1. grades die steuererklärung: Das ist... wie sagt man... die schwierigste... Geschichte, die... ich je geschrieben habe. Das geht nicht nur so... mit der linken Hand.
okay. meine devise war, ich habe meine teilnahme an radio rosa zugesagt, also werde ich radio rosa machen, wenn nötig auch alleine, obwohl das der zugrundeliegenden idee von patricia brooks wiedersprochen hätte.
radio rosa ist ein von mir konzipiertes projekt, das ich seit 2008 in kooperation mit der grazer autorinnen autorenversammlung realisiere. das ziel ist, verschiedene formen des erzählens zu präsentieren - im rahmen von performances, die von den jeweiligen protagonist*innen gemeinsam entworfen, entwickelt und lose choreographiert werden.
in immer wechselnden quartettkonstellationen arbeiten spannende künstler*innen, die unterschiedliche ästhetische konzepte, szenen und generationen vertreten, zusammen. gemeinsam entwickeln sie einmal im jahr eine neue ausgabe von radio rosa, die sich - je nach projekt - zwischen lesung, konzert und text-sound-performance im spannungsfeld von improvisation und montage, language poetry, konkreter poesie und fragmentarischer prosa bewegt.
na ja, ich hätte radio rosa mit der organisatorin und moderatorin patricia brooks als halbes quartett aufgeführt. die veranstaltung wäre auf jeden fall eine gelungene geworden.
und schwupps.
applaus.
langanhaltender applaus.
tossender applaus.
(…)
manchmal wünsche ich mir ein leben, wie es die mumins im mumintal führen. meine lieblingsbewohnerin im mumintal ist die kleine my, mit ihrem roten kleid.
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wir haben einen stein mit einem abbild der kleinen my im blumenstock mit den kakteen stehen.
ich habe keine ahnung, wer uns diesen stein geschenkt hat. ich habe auch keine ahnung, warum neben der kleinen my "Nö" steht, wahrscheinlich sagt die kleine my "Nö" wie "Nein", "Nö" wie "Niederösterreich" heißt es auf keinen fall, denn da wäre es "NÖ", wenn man die Großschreibung verwendet. egal. ein herzliches DANKE an die künstlerin, an deren namen ich mich nicht erinnere, ein künstler war es jedenfalls nicht, das weiß ich genau.
(…)
ilses vergrößerter lymphknoten wird biopsiert. huch. eine ärztin war für beobachten, eine ärztin ist für handeln. ilse ist traurig. ich versuche gelassen zu wirken und nett zu sein, mehr kann ich zur zeit nicht tun. ganz gut geht es mir dabei nicht, aber dazu ist jetzt kein platz.
schwupps.
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